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Der Wald der Grizzlies
Carsten Siegel begleitet das Team von Wilderness International auf einer Expedition in den SK-Regenwald...
September 2018


Text: Carsten Siegel

Expedition in den SK-Regenwald

Der temperierte Regenwald an der Westküste Kanadas - Heimat von Grizzlies und Weißkopfseeadlern. Mit Unterstützung von SK Touristik kauft die deutsche Stiftung Wilderness International hier ursprüngliche Wildnisgebiete von Forstkonzernen und Privatpersonen, um sie auf Dauer zu bewahren. Im September durfte ich ein Expeditionsteam in die Schutzgebiete im Toba Valley begleiten, um mir selbst ein Bild davon zu machen, wie wild und unberührt sie sind.

Die Expedition beginnt am Hafen von Campbell River auf Vancouver Island. Von hier aus starten auch die Grizzly-Beobachtungstouren ins Toba Inlet aus dem SK-Reiseprogramm. Doch wir wollen heute auf eigene Faust noch tiefer in die Wildnis vordringen. Wir laden unzählige Seesäcke mit Proviant, Gepäck und Technik ins Wassertaxi. Unter anderem haben wir drei Kameradrohnen dabei! Kurz nachdem wir den Hafen verlassen haben, sehen wir vor dem Boot eine Fontäne aus dem Wasser schießen. Ein Buckelwal! Auch die Flosse ist kurz zu sehen! Fantastisch!

Je tiefer wir in den Fjord hinein fahren, desto atemberaubender wird die Kulisse. Spuren der Zivilisation werden immer seltener. Nach einigen Stunden erreicht das Wassertaxi das Ende des Fjordes und die Flussmündung des Toba River. Hier ist es zu flach, um mit einem großen Boot weiterzufahren. Wir landen an einem felsigen Küstenabschnitt und steigen auf ein kleines Expeditionsboot um. Das Navigieren im Fluss ist anspruchsvoll, aber der Jetmotor kommt leicht gegen die Strömung an. Ein Weißkopfseeadler kommt uns entgegen und fliegt nur wenige Meter über unserem Boot her. Alle Augen folgen dem majestätischen Vogel, als das Boot mit einem lauten Knarzen auf dem felsigen Grund des Flusses aufsetzt. "Nichts passiert!". Wir steigen aus und schieben das Boot wieder in tieferes Wasser, dann geht es weiter den Fluss hinauf.

In das Expeditionsboot passen 3-4 Personen, sodass das neunköpfige Team etappenweise von Sandbank zu Sandbank gebracht werden muss. So bleibt mir bei jedem Zwischenstopp etwas Zeit, die Umgebung zu erkunden. Schon auf der ersten Sandbank entdecke ich riesige Bärenspuren. Wow! Auf der anderen Seite des Flusses sitzt ein Adler auf einem Ast und scheint uns genau zu beobachten. Im Wasser taucht immer wieder der Kopf eines Seehunds auf, der hier auf Fischfang ist. Wir fahren heute noch eine Stück weiter und schlagen auf der nächsten großen Sandbank unser Camp auf. Der Strand ist umgeben von steilen Felswänden, Wasserfällen und dichtem Wald. Ich muss sehr auf meine Schritte achten, denn im Sand sind unzählige kleine Kröten unterwegs. Abends bereiten wir unser Essen am Lagerfeuer zu und genießen im Anschluss den Blick auf die Milchstraße, wie man sie nur weit abseits der Zivilisation sieht.

Nach dem Frühstück wird das Camp abgebaut und aufgeräumt. Wir beseitigen jede Spur unserer Anwesenheit. Mit dem Expeditionsboot fahren wir zum Zusammenfluss des Toba River und des Little Toba River. Während der große Toba River trüb und fast türkisfarben aussieht, ist das Wasser im kleinen Zufluss tiefblau und klar. Doch hier stoßen wir auf ein unerwartetes Problem: Der Fluss ist von Treibholz blockiert. Wir lassen das Boot zurück, schultern die Seesäcke mit unserer Ausrüstung und kämpfen uns gegen die Strömung durch das eiskalte Gletscherwasser. Am anderen Ufer liegt ein angefressener Lachs und die ganze Sandbank ist voll mit frischen Grizzly-Spuren - hier scheint ein Fisch-Hotspot zu sein! Nach den Aufbauen des Camps bleibt etwas Zeit zum Angeln. Mal sehen, was hier unter Wasser los ist! Und tatsächlich: Nach wenigen Minuten ein gewaltiger Ruck! Etwas springt aus dem Wasser. Eindeutig ein Lachs! Wahnsinn! Da der Sockeye-Lachs durch den Haken verletzt war, beschließen wir, dass er zu unserem Abendessen wird. Ich fülle den Fisch mit Salz, Pfeffer, Butter und einigen Zitronenscheiben und gare ihn am Feuer. Ein echtes Outdoor-Festmahl!

Als ich am folgenden Morgen aus dem Zelt komme, begrüßt mich eine mystische Kulisse. Durch die Wälder an den Berghängen ziehen dichte Nebelschwaden. Beim Fotografieren entdecken wir unter anderem einen jungen Adler, der gerade einen Lachs zerlegt. Über Nacht hat es viel geregnet, sodass der Flusspegel stark angestiegen ist. Man sieht deutlich mehr Lachse springen als noch am Tag zuvor. Uns wird klar, dass die Lachwanderung jetzt erst in Gang kommt. Der Sommer war sehr trocken und aufgrund der niedrigen Flusspegel beginnen die meisten Lachse ihre Reise später als sonst. Das erklärt auch, warum wir am Flussufer noch keinem Bären begegnet sind - sie warten noch auf den großen Run!

Dann wird der Regenwald erkundet. Schnell sind wir umgeben von gigantischen Ahornbäumen und uralten Riesen-Lebensbäumen voller Flechten und Moosen. Um den dichten Wald zu durchqueren, müssen wir schmalen Tierpfaden folgen - die Orientierung fällt nicht leicht! Es ist unfassbar, wie grün, vielfältig und lebendig alles ist. Besonders beeindruckt mich ein etwa 700 Jahre alter Ahorn. Die zwei Stämme des Baumes sind von einer dicken Moosschicht bedeckt. Weiter unten entdecke ich mehrere Wolfshöhlen. Auf unserem Weg finden wir immer wieder Kratzspuren an den Bäumen, große Tatzenabdrücke, angefressene Lachse und Bärenkuhlen. Mir wird klar: Dieser Wald gehört den Grizzlies und wir sind lediglich Besucher. Die Gruppe bleibt dicht zusammen und der Vordermann hat immer ein Bärenspray zur Hand. Die Anspannung ist hier deutlich höher als auf den offenen Sandbänken, da man nie genau weiß, was hinter dem nächsten Busch wartet. Nach etwa einer Stunde erreichen wir eine weitere Sandbank und nähern uns dem Quellbereich des Little Toba River. Irgendwo hier müssen die Laichgründe der Lachse sein. Am Ufer pumpen wir ein Schlauchboot auf. Zwei Expeditionsteilnehmer wollen den Fluss abwärts bis zum Camp floaten. Ich trete mit dem Rest der Gruppe den den Rückweg durch den Wald an. Es beginnt wieder zu regnen. Nun müssen wir noch vorsichtiger sein, denn durch das laute Rauschen des Regens im Wald können die Bären uns kaum noch kommen hören. Abends am Camp sind wir ausnahmsweise froh, an diesem Tag keinem Bären begegnet zu sein.

Am letzten morgen beginnt unser Tag um 5 Uhr. Alles muss schnell gehen, damit wir rechtzeitig das Wassertaxi erreichen. In völliger Dunkelheit packen wir mit Stirnlampen unsere restlichen Sachen in die Seesäcke und brechen die Zelte ab. Es ungewöhnlich kalt und es regnet in Strömen. Gut, dass Schöffel die Expedition mit Outdoor-Jacken ausgestattet hat. Um die Boote zu erreichen, muss das gesamte Gepäck wieder durch den Fluss getragen werden. Aufgrund der dichten Wolken ist es eine Stunde später noch immer extrem dunkel und wir kommen langsamer voran als geplant. Schließlich ist es geschafft: Mit dem Expeditionsboot und zwei Schlauchbooten fahren wir im ersten Tageslicht flussabwärts. Und dann passiert, womit keiner mehr gerechnet hat: Kurz bevor wir die Flussmündung erreichen, sehen wir am Flussufer für wenige Sekunden einen Grizzly in den Wald huschen. Vielleicht beobachtet er uns schon länger und will sich nun von uns verabschieden?

Der temperierte Regenwald im Toba Valley ist wirklich ein einzigartiges Stück Natur. Und es war ein echtes Abenteuer, dorthin zu gelangen. Vor uns der Lachs-Fluss, hinter uns der Regenwald, über uns die Adler und um uns herum die Grizzlies. Ein unvergessliches Erlebnis! Auch wenn die Bären etwas schüchterner waren, als erwartet - aber vielleicht ist das auch besser so. So tief in der Wildnis sind Begegnungen mit Bären eine ambivalente Sache: Einerseits möchte man die Tiere gern in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten und fotografieren, andererseits möchte man um jeden Preis vermeiden, sich selbst oder gar die Bären in Gefahr zu bringen. Mein Respekt vor echter Wildnis ist durch diese Expedition noch ein Stück größer geworden und ich bin stolz, dass wir von SK Touristik einen Beitrag zum Erhalt dieser unberührten Lebensräume leisten können!

Expedition ins Toba Valley

Wildnis in Kanada schützen: Der SK-Regenwald in British Columbia