Tour durch Kanada und die USA Westen USA - Kanada Wohnmobil

Sonntag, 21. Juni 2015
Duty Free von Montana nach BC

Heute werden wir den Glacier Nationalpark verlassen, so oder so. Das eine "So" steht für eine Fahrt mit Xanterra auf der Going-to-the-Sun Road und das andere "so" steht für einen direkten Aufbruch nach Norden. Dies wird davon abhängen, ob wir im Besucherzentrum etwas über die Xanterra-Tour erfahren und ob die Angebote passen. Also starten wir nach dem Frühstück vom Campground aus in Richtung Parkausgang. Dort befindet sich am westlichen Ende des Lake McDonald der Hauptort des Nationalparks. In diesem Ort namens Apgar ist auch das zentrale Besucherzentrum. Heute haben Christian und Johannes Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Uns fehlen die Kommunikationswege, um diese Glückwünsche auch an den Mann zu bringen, aber wir hoffen, ihr habt einen schönen Tag. Am Besucherzentrum erfahren wir nicht viel Konkretes über Xanterra-Exkursionen. An den Busstationen kann man die Fahrt nicht buchen, sondern vorab über eine telefonische Service-Hotline. Darauf haben wir schon mal keine Lust. Zudem dauert so eine Fahrt wohl mindestens 4 Stunden. Also tritt Plan B in Kraft und wir begeben uns auf die Weiterfahrt nach Norden. Somit verlassen wir den Glacier Nationalpark zuerst in Richtung West - kommen wieder durch Hungry Horse und Columbia Falls - und fahren dann nach Whitefish. In beiden Orten halten wir. In Columbia Falls besuchen wir einen Supermarkt. An den Angeboten der Supermärkte erkennt man den Wohlstand der Bewohner in den jeweiligen Orten. Auch Columbia Falls gehört der Riege wohlhabender Gemeinden an. Dementsprechend gibt es im Supermarkt Frischetheken mit reichhaltigem Angebot und eine Bäckerei, die unter anderem frische Baguettes im Angebot hat. Einen Ort weiter, in Whitefish entschließen wir uns, zu tanken. Es ist sinnvoll, so knapp wie möglich vor der kanadischen Grenze zu tanken, damit wir maximal den Vorteil der niedrigeren Spritpreise in den USA ausnutzen. Aber wir wollen auch nicht riskieren, irgendwann einmal die letzte Gelegenheit verpasst zu haben oder aber den Preisvorteil dadurch zu verlieren, dass in Grenznähe die Preise auch auf US-Seite anziehen. Also scheint uns die Tanke in Whitefish ein guter Kompromiss zu sein. Die Grenze zu Kanada ist nicht ganz 100 Kilometer entfernt und auf dem Weg dahin gibt es außer ein paar Käffern nur noch einen nennenswerten Ort namens Eureka. Nach dem ich ordentlich mit der Zapfpistole nachgedrückt habe, um den Tank maximal voll zu bekommen, rollen wir unseren letzten Kilometern in Montana entgegen. Zuerst kommen wir durch Whitefish Downtown. Ohne Halt passieren den Ortskern, aber ein Besuch hätte sich durchaus gelohnt. Er erinnert ein wenig an den Heimatort vom Grinch. Ihren Wohlstand und auch die innerstädtische Architektur aus Western- und Zuckerbäckerstil-Elementen verdankt die Stadt dem angrenzenden größten Skigebietes Montanas.



Die Annahme bestätigt sich, dass es keine großartigen Tankgelegenheiten vor der Grenze mehr geben wird. Wir durchfahren keine wahrnehmbaren Orte mehr außer Eureka und dort halten wir sogar kurz. Doch bis auf ein Café hat hier alles zu. Der Ort wirkt verschlafen, aber wir sehen zwei Fernradler durch den Ort strampeln, deren Beflaggung an den Räder zeigt, dass sie aus Deutschland kommen. Von Eureka bis zum Grenzübergang in Roosville sind es 10 Kilometer. In Sichtweite des Kontrollpunktes kommen wir vorher an einer Wellblechhalle am linken Straßenrand vorbei. "Duty Free" prangt an einer großen Tafel und wir lassen uns von dieser Gelegenheit zollfreien Einkaufens anlocken. Dieser Duty-Free-Laden hat den typischen Aufbau solcher Läden, wie sie überall in der Welt zu finden sind - mit Schwerpunkt Alkohol, Zigaretten und Parfümerie. Letztlich verlassen wir den Store mit einem Kentucky Straight Bourbon Whisky, einem Buffalo Trace. Bei einem Bourbon kann man nicht viel falsch machen, erst recht nicht mit einem Kentucky Straight Bourbon, dessen Herstellung durch einige Standards und eine mindestens 2-jährige Lagerung in Fässern aus amerikanischer Weißeiche reglementiert ist. Der lustige Moment bei diesem Einkauf kommt aber jetzt. Den Einkauf bekommen wir nämlich nicht nach dem Bezahlen ausgehändigt. Stattdessen bekommt eine Angestellte des Stores die Tüte und man erklärt uns, dass wir den Einkauf vor dem Kontrollpunkt ausgehändigt bekommen.
Wir erklären uns diese Prozedur damit, dass verhindert werden soll, dass US-Bürger hier zollfrei einkaufen und dann einfach wieder zurückfahren nach Montana. Diese Ladenangestellte fährt also in einem Jeep vor uns her und hält an einem kleinen Parkplatz unmittelbar vor dem Kontrollpunkt. Hier übergibt sie uns die Tüte und bedankt sich nochmals für den Einkauf. Dann schaut sie uns nach, wie wir uns in die kurze Autoschlange am Grenzposten einreihen.





Nun fahren wir wieder Nord-westwärts, so wie auch das Kootenay Tal sich erstreckt - zwischen den gewaltigen Bergmassiven der Kootenay Rockies im Osten und den Purcell Mountains im Westen. Das Fahren kommt mir entspannter vor, als in den Staaten. Dort war, vom dichteren Verkehr abgesehen, das Tempo auch gar nicht so gering, wie es die Limit in Meilen pro Stunde erscheinen ließen. Entspannt rollen wir also durch sanfte Wildheit der Kootenay Region, die den Highway mit spärlichen Weiden und lichten Kiefernwäldern einrahmt und am Horizont auch immer Berge präsentiert - mal näher, mal entfernter. Außer imposanter Natur sehen wir nur wenige trostlose Orte. Der nächste ist Wardner, wo der Highway den Kootenay River überquert. Dann kommt ein Abzweig nach Cranbrook - dort fahren wir aber nicht hin - und wieder eine Brücke über den Kootenay. Bald danach kommt Fort Steele, welches mit einem historischen Fort lockt. Wir wollen uns das anschauen, aber dann schreckt uns ein riesiger (und voller) Parkplatz vor einem zum Vergnügungspark umgestalteten Wildwest-Fort ab und wir verzichten. Stattdessen rollen wir dem Abzweig zu unserem Tagesziel entgegen. Kurz hinter Skookumchuck - zwei Häusern mit drei Spitzbuben - biegen wir in die Whiteswan-Lake-Forest-Service Road und sind endlich mal wieder auf Schotter. Aber auf den 25 Kilometern bis zu unserem Campground wird es noch einen kleinen Höhepunkt geben - die Lussier Hot Springs. Diese heiße Quelle ist relativ unbekannt kaum ausgebaut und frei zugänglich. Entlang der Schotterpiste ist lediglich eine Verbreiterung der Schotterfläche zu einem Turnout als Parkplatz angelegt und eine Infotafel aufgestellt worden. Ein Trockenklo gibt es auch und der Abstieg zum Ufer des Lussier River mit Stufen und Geländer führt einige dutzende Meter hinunter zur heißen Quelle, die direkt am Ufer des Wildwasserflusses aus dem Berg tritt.



Einige Autos stehen auf dem Parkplatz und wir gesellen uns hinzu. Nachdem wir flink unsere Sachen gepackt haben, steigen wir die Treppe hinab zum Flussufer. Da die Quelle direkt am Fluss entspringt hat man aus Geröll eine Barriere zum Fluss aufgeschichtet und somit einige kleine Nischen und Pools mit warmem Wasser gebildet. Viel Platz ist darin nicht, aber einige der Besucher machen sich gerade fertig zum Verlassen der Quelle. So finden wir ein bequemes Eckchen in einem der Pools und entspannen im heißen Wasser. Der eiskalte Wildwasserfluss rauscht nur wenige Meter entfernt an uns vorbei. Wer will, kann hier ein eisiges Wechselbad nehmen. Das heiße Wasser wirkt, wie ein Wannenbad, Schweiß und Staub werden porentief aufgelöst. Ohne Badebekleidung wäre das mit der heimischen Badewanne gleichzusetzen, aber am Abstieg gebot und ein Schild: Spirituosen und Nacktheit verboten. Wir fühlen uns trotzdem ganz gut gebadet und machen uns nun fertig zum Aufstieg. Diesen absolvieren wir ganz bedächtig, um nicht gleich wieder zu schwitzen. Dann geht's auf zum Campground am Alces Lake, die letzten Kilometer über Schotter. Der Campground am Alces Lake ist ganz nach unserem Geschmack und er ist so gut wie leer. Wir okkupieren einen Platz mit direktem Zugang zum Wasser. Kaum haben wir unseren Zettel zur Selbstregistrierung ausgefüllt, da taucht auch schon ein Platzwart auf und vollendet unsere Anmeldung. Dabei schnackt er uns auch noch Feuerholz an, aber wir haben auf einem so schönen Platz in der Tat Lust auf ein schönes Lagerfeuer.
Das Feuerchen prasselt auch schon bald, nachdem das Holz noch etwas feiner gespalten ist. Und auch das Abendbrot ist deliziös. Wir können nun bis zum Dunkelwerden einfach nur den züngelnden Flammen zuschauen oder zur Abwechslung am Ufer des Sees die zunehmende Abendstimmung des Bergpanoramas genießen. Mit der sinkenden Sonne fühlen wir uns inspiriert, den Fotoapparat für einige Zeitrafferserien aufzubauen. Die Zeitraffer zeigen beindruckend, wie die Erde sich mit ihrer Rotation von seinem Zentralgestirn, der Sonne abwendet und immer weiter in den eigenen Schatten taucht - zu betrachten über die folgenden Videos:


Das zweite Zeitraffervideo zeigt, wie anschließend der Sternenhimmel gen Westen flieht, während die Erde sich unaufhaltsam ostwärts dreht. Sogar Nordlichter flackern kurzzeitig auf, und das in der kürzesten Nacht des Jahres.
Von Zeit zu Zeit fährt ein Fahrzeug auf der Schotterstraße um den nächtlichen See. Dort liegt der größere Whiteswan Lake, der dem hiesigen Provinzpark seinen Namen gab. Einen Abstecher dorthin nehmen wir uns für morgen vor und begeben uns zur Nachtruhe.



Montag, 22. Juni 2015
Ist Radium gesund?

Die Pläne für den heutigen Tag sind klar definiert. Am Ende des Tages aber werden wir aufgrund überraschender Umstände doch wieder - anders als geplant - einige Vorhaben angepasst haben. Aber dazu kommen wir noch. Es begrüßt uns ein herrlicher sonniger Morgen. Da fällt es noch schwerer, diesen malerischen Ort zu verlassen, aber wir haben einen Plan und wir haben ein Ziel. Und das Ziel lautet für heute: Kootenay Nationalpark. So rollen wir schon bald nach dem Frühstück vom Platz und unsere erste Pflichtübung ist es, an der Ausfahrt des Campgrounds die Dumpstation zu nutzen und Abwasser abzulassen. Auch Frischwasser wird aufgefüllt. Es geht aber zuerst einmal tiefer in die Berge und weiter vom Highway weg. Wir wollen uns dem Whiteswan Lake anschauen, der diesem Provinzpark den Namen gab. Dazu umrunden wir den Alces Lake zur Hälfte und folgen dann dem Tal. Der Whiteswan Lake erscheint nach wenigen Kilometern. Er ist größer, als der Alces Lake und schroffer von den umliegenden Bergen umschlossen. Er bietet zwei weitere Campgrounds, einen am oberen Ende des Sees und einen am unteren Ende, wo wir zuerst halten. Es liegt noch eine morgendliche Stille über dem See, als wir einen Bootssteg betreten. Dennoch ist bereits ein Angler unweit auf dem Wasser. Wie wir so den Ausblick genießen, kommt ein weiterer Mann vom Campground zum Anleger hinunter. Er spricht uns auf Deutsch an. Offensichtlich hat er uns mit Blick auf unser Wohnmobil als deutsche Touristen identifiziert, wie er selbst auch einer ist. Also unterhielten wir uns ein wenig über unsere jeweiligen Reisepläne.



Dann fuhren wir noch fast bis zum oberen Ende des Whiteswan Lakes, wo wir dann auch Motorboote auf dem Wasser sahen. Das Bergpanorama des Sees ist wunderschön und das Wasser von türkisfarbenem Schimmer. Nach einem weiteren Stopp kehren wir um und fahren zurück in Richtung Alces Lake. Von Zeit zu Zeit kommen Holzlaster vorbei und ziehen mächtige Staubfahnen hinter sich her.
Auch am Alces Lake halten wir noch mal und können kapitale Forellen im klaren Wasser beobachten. Nun aber rumpeln wir endgültig die Schotterstraße hinunter zum Highway. Wieder zurück auf dem Asphalt könnte man glatt wehmütig werden, denn wahrscheinlich war dies die letzte nennenswerte Strecke auf Schotter. Nun geht es nordwärts auf dem Kootenay Highway. Wir passieren Canal Flats und überqueren abermals den Kootenay River. Nun verläuft der Highway parallel zum Columbia Lake, welcher ein Teil des Columbia River-Flusssystems ist. Am nördlichen Ende des Sees, unweit von Fairmont Hotsprings halten wir an einer Stelle, die eine Fernsicht über den See von einem Hügel aus verspricht. Wir steigen hinauf und finden unsere Erwartung erfüllt. Ein grandioser Ausblick über den See mit den Rockies im Hintergrund lässt uns einen Augenblick verweilen und auch fotografieren.
Dann fahren wir weiter und passieren ohne Stopp Fairmont Hotsprings. Der Verkehr nimmt zu, da wir den Großraum Invermere passieren. Dann kommt Radium Hotsprings in Sicht. Der Ort ist uns aus dem vergangenen Jahr bekannt. Damals kamen wir von Nordwest über Golden hierher um dann ostwärts durch den Kootenay Nationalpark zu fahren. Dabei haben wir zum einen ausgiebig im Besucherzentrum (Visitor Center) das WLAN genutzt und danach einige Stunden in den heißen Quellen entspannt. Genau dies steht nun wieder auf unserem Plan. Also parken wir am Besucherzentrum so dicht wie möglich am Gebäude. Unsere Erfahrung in ähnlichen Situationen der Vergangenheit hat gezeigt, dass man in solchen Fällen noch außerhalb des Gebäudes, ja sogar im Wohnmobil noch ganz passablen WLAN-Empfang hat. Auch diesmal klappt es gut und wir können einige ausstehende Dinge im Internet erledigen, ohne dabei in einem öffentlichen Raum mit wechselndem Besucherverkehr zu sitzen. Neben ein paar E-Mails, die schnell beantwortet sind, besteht natürlich der ehrgeizige Wunsch, auch schon einige Fotos hochzuladen und Verwandten und Bekannten zugänglich zu machen. doch genau das ist ein unheimlicher Zeitfresser. Für das Upload vieler Fotos ist die Verbindung dann doch nicht flink genug. Also brechen wir nach einer Weile ab, ohne alles hochgeladen zu haben, was wir so zeigen wollten. Aber es wird Zeit, da wir in die heißen Quellen wollen, und das wird auch viel Zeit beanspruchen, denn wir wollen es genießen. Somit fahren wir die uns bereits bekannte Straße in den Kootenay Park. Die letzten Häuser von Radium Hot Springs liegen in einem zunehmend enger werdenden Tal und sind in amerikanischen Varianten von Alpenarchitektur gebaut. Kurz darauf erscheint die Einfahrt zum Nationalpark. Wir können auch jetzt, wie bereits im Waterton-Lakes-Park, von unserem Annual Pass profitieren und müssen diesmal nichts bezahlen.



Die heißen Quellen liegen bereits im Park. Zuvor führt die Straße durch eine bemerkenswerte Felsklamm, wie ein Durchschlupf in ein geheimnisumwittertes unentdecktes Tal, den sogenannten Sinclair Canyon. Doch schon bald endet der Canyon und das Tal weitet sich wieder. Kurz darauf tauchen die Radium Hot Springs auf, die auch dem Ort am Parkeingang seinen Namen gaben. Diese Quellen sind sehr stark zu einer Bade- und Erholungsanlage ausgebaut. Es gibt zwei großen Becken, ein heißes und ein warmes zum Schwimmen, und einen weitläufigen Gebäudekomplex mit Umkleiden, Duschen, Sanitäreinrichtungen, Café, Wellness-Angeboten und natürlich der Kasse. Aber was hat es mit dem Radium auf sich. Ist das gesund? Vor hundert Jahren glaubte man das, heute nicht mehr. Radium ist ein alkal-metallisches Spurenelement, welches im Erdinneren als radioaktives Isotop vorkommt. Aber im Wasser dieser heißen Quelle ist es praktisch nicht enthalten. Der Name kommt vielmehr vom schwach radioaktiven Edelgas Radon, welches im Quellwasser enthalten ist. Im hiesigen Falle ist es weder gesund noch gefährlich. Das Wetter ist freundlich und warm und an der Belegung des Parkplatzes kann man schon erkennen, dass heute viele Besucher da sind. Auch an der Kasse ist eine kurze Schlange, aber nach dem obligatorischen Durchlaufen von Kasse, Umkleide und Dusche sind wir schon bald im warmen Wasser und kochen unser Muskelgewebe weich. Dabei suchen wir uns das letzte Eckchen im warmen Becken, das noch Schatten von einer angrenzenden Felswand bekommt. Das halten wir ein Weilchen aus, unterbrochen nur vom Gang zu unseren Trinkflaschen, die wir in unseren Sporttaschen am Beckenrand haben. Irgendwann wechseln wir in das etwas kühlere Schwimmbecken, wo wir gemächlich umher schwimmen. Auch beim Nichtstun oder Wenig-Tun kann die Zeit vergehen. Nach über zwei Stunden kommen wir langsam zum Ende und schließen unseren Besuch in der Thermalquelle ab. Natürlich gab es dabei auch eine Portion Körperhygiene und eine Rasur. Nun fahren wir weiter auf dem Kootenay Highway, welcher erst einmal durch ein Quertal von Radium Hotsprings westwärts das weitläufige Tal des Kootenay Rivers erreichen muss. Dazu muss er über einen Pass und vorher am Olive Lake vorbei. Auch den olivgrünen Olive Lake kennen wir vom Vorjahr, wie auch den gesamten vor uns liegenden Streckenabschnitt bis zum Banff Nationalpark. Als nächstes halten wir am Kootenay Valley Viewpoint, welcher unmittelbar nach überwinden des Passes den Blick über das Haupttal des Kootenay Parks öffnet. Von hier aus sieht man gut, was den Park ausmacht. Es sind weniger die spektakulären Hotspots der Natur, wie in den Parks von Banff oder Jasper, sondern die majestätische Weite der Bergpanoramen als Ganzes. Zwischen den beiden erhabenen Bergketten im Osten und im Westen liegt ein weitläufiges bewaldetes Tal, welches an den Bergflanken sanft ansteigt und schließlich in schroffe felsige Berge übergeht. In der Talsohle aber fließt als unberührter Wildwasserfluss der Kootenay River. Daneben ist genügend Platz für den Parkway, der sich szenisch durch das Tal windet.



Auch der Verkehr ist hier geringer, als in den berühmteren Parks im Norden. Als wir vom Aussichtspunkt weiter in Richtung Norden rollen, empfinden wir das Gleiten durch den Park auf dem Highway um seiner selbst willen als Genuss. Auf den nächsten Halt freuen wir uns schon. Es ist ein Parkplatz direkt am Fluss. Hier haben wir im letzten Jahr über Nacht gestanden, nicht ganz legal. Aber da die umliegenden Campgrounds bereits geschlossen waren und wir auch nicht zurück nach Radium Hotsprings fahren wollten, riskierten wir diese illegale Übernachtung. Wir verweilen recht lange an dieser Stelle, denn als nächstes Ziel wäre bereits ein Campground anzusteuern der unweit in Fahrtrichtung liegt. Noch ahnen wir nicht, wie sehr sich die Erlebnisse vom letzten Jahr wiederholen würden. Der erste Hinweis diesbezüglich kommt von einer amerikanischen Touristin, die ebenfalls hier hält. Sie hätte bislang keinen geöffneten Campground gefunden, klagt sie. Da sie von Norden kommt, sage ich ihr, dass sie am Südende des Parks in Radium Hotsprings einen geöffneten Campground finden wird. Wir aber wollen nach Norden und fahren auf gut Glück weiter. Tatsächlich, der nächste Campground ist geschlossen und zwar so, dass bereits an der Abfahrt vom Highway eine geschlossene Schranke die Zufahrt verwehrt. Wir fahren also immer weiter nach Norden, wohl ahnend, dass wir möglicherweise erst im Banff Nationalpark einen Campground finden werden. Auch ein weiterer Campground ist geschlossen. Es ist, wie im Glacier Nationalpark: Öffnung erst am 1. Juli. Abseits liegende Parkplätze ziehen wir auch in Betracht, verwerfen sie aber schließlich. Im Gegensatz zum Herbst letzten Jahres sind jetzt die Nächte kurz und die Abende lange hell. Somit würden wir einem eifrigen Parkranger viel eher auffallen, als dies im Herbst der Fall war. Und das Risiko, in der Dämmerung des Parks verwiesen zu werden, wollten wir auch nicht eingehen. Somit war unser neues Übernachtungsziel bestimmt, der Castle Mountain Campground im Banff Nationalpark, auf dem wir eigentlich erst einen Tag später übernachten wollten. doch bis dahin haben wir noch hundert Kilometer an malerischen Silhouetten der Kootenay Rockies zu durchgleiten. Dabei wollen wir an den Attraktionen, die wir im letzten Jahr schon besucht hatten, nicht mehr halten wollen. Es sind solche Stellen wie der Marble Canyon, der Numa Wasserfall oder die Paint Pots. Dennoch kommt es zu einem unvorhergesehenen Halt. Es ist eine sehr große Gruppe Mountain Goats - etwa 30 Tiere, die an einem Abhang umher läuft, grast oder Mineralien leckt. Es stehen schon einige Fahrzeuge am Rand und fotografierende Touristen laufen umher. Auch wir halten am Rand und tun Gleiches. Es sind auch Jungtiere dabei, manche noch ganz klein.



Einige Tiere laufen die Böschung hinunter und ziehen Staubfahnen hinter sich her. Andere stehen ganz oben an der Böschung. Irgendwo ist immer Bewegung in so einer großen Gruppe. Es dauert eine ganze Weile, bis wir genug gekuckt, fotografiert und gefilmt haben. Dann fahren wir weiter zur nördlichen Parkgrenze. Den Castle Mountain sieht man schon lange, bevor man die Parkgrenze von Banff und somit Alberta erreicht. Er ist der Namensgeber für den Campground, den wir heute erreichen wollen. Doch irgendwann begrüßt und ein Schild im ältesten Nationalpark Canadas und im Staat Alberta. Dies passiert auf der Schussfahrt hinab ins Bow Valley, das Tal der Bow River, welches deutlich tiefer liegt, als der Pass, von dem wir aus Südwest kommen.
Wenige Kilometer vor unserem Ziel passiert uns glatt noch ein Malheur und wir ordnen uns falsch ein. Zu spät merken wir, dass wir auf den Transkanada Highway 1 geraten sind, anstatt dem etwas nördlicher verlaufenden Parkway 1a zu folgen, an dem auch der Campground liegt. Ärgerlich, sehr ärgerlich, zumal der Highway 1 eine autobahnartige Schnellstraße ist, auf der wir nicht einfach wenden können. So sind wir gezwungen, bis zur nächsten Anschlussstelle zu fahren, um die richtige Ausfahrt zu nehmen. Dieser Umweg ist auch in einer anderen Hinsicht ärgerlich. Wir wollen schließlich mit unserer Tankfüllung aus den USA so weit wie möglich kommen und hatten die Hoffnung gehegt, vor Rückgabe des Campers in Calgary nicht mehr tanken zu müssen. Da sind natürlich solche sinnlosen Umweg nicht zweckdienlich. Wir werden also schauen, ob wir es dennoch ohne Zwischentanken bis Calgary schaffen. Nun aber erreichen wir den Castle Mountain Campground und richten uns auf einem, der wenigen verblieben freien Plätze ein. Es ist aber ein schöner Platz mitten im Wald und es gibt Feuerholz zur Genüge. Da wollen wir natürlich auch ein romantisches Lagerfeuer entfachen, was wir auch tun. Alles in allem ist das ein gelungener Ausklang eines erlebnisreichen Tages, trotz unverhoffter Wendungen in Bezug auf unsere Pläne.



Dienstag, 23. Juni 2015
Lady Louise, die Dritte

Durch unseren Vorstoß bis zum Castle Mountain am gestrigen Abend, der gezwungenermaßen durch die geschlossenen Campgrounds im Kootenay Park zustande gekommen ist, sind wir nun nur noch einen Katzensprung von Lake Louise entfernt. Im Nachhinein erweist sich dies als Chance, noch mehr Zeit für eine Wanderung mit Aussicht auf den See von oben zu haben. Der Wunsch nach einer anderen Perspektive auf den Lake Louise hat eine Vorgeschichte. Auf vergangenen Touren waren wir zweimal an dem See, hatten aber immer nur zeitliche begrenzte Stippvisiten eingeplant. Dies hatte zur Folge, dass wir stets nur die Sicht über den See vom Ufer am Fairmont Chateau Lake Louise Hotel hatten. Die Perspektive, die sich hier eröffnet, ist sicher toll, aber es ist auch einer der am meisten überlaufenen Stellen im Banff Nationalpark. Ein Touristenbus nach dem anderen rollt hier auf den gewaltigen Besucherparkplatz und meist asiatische Touristen drängen sich Schulter an Schulter auf der Uferpromenade im Selfie-Rausch. Aus diesem Grunde und weil bei den vergangenen beiden Besuchen jeweils das Wetter den See in ein düsteres wolkenverhangenes Szenario versetzte, wollen wir diesmal eine Wanderung machen. Sie soll uns weg von dem touristischen Trubel am Ufer hinauf auf eine Bergflanke führen und neben mehr einsamer Natur auch eine andere, außergewöhnlichere Perspektive auf den See geben. Somit geben wir den Startschuss: Lady Louise, die Dritte!
Natürlich beginnt der Tag zunächst auf dem Castle Mountain Campground. Die Sanitäreinrichtungen sind in einer Art Container untergebracht und enthalten WC und Waschbecken mit warmem Wasser. Was den morgendlichen Ablauf einschließlich Frühstück anbelangt, sind wir mittlerweile recht effektiv und ohne dass wir hetzen, sind wir schnell abfahrbereit. Vom Campground bis zum Parkplatz am Lake Louise sind es etwa 30 Kilometer, bei Parkway-Geschwindigkeit eine halbe Stunde Fahrt. Auf dem Weg dahin läuft uns auf dem Parkway 1a doch tatsächlich ein Schwarzbär über den Weg. Das ist doch ein verheißungsvoller Auftakt an diesem Morgen. Auf dem Parkplatz werden wir von Einweisern zum Bereich für Wohnmobile durchgewunken. Noch sind die weitläufigen Parkplätze ziemlich leer, aber ein Fahrzeug nach dem anderen, darunter auch Busse, trudeln ein. Ein Weilchen dauert es noch, bis wir alle Wanderutensilien zusammengestellt und die entsprechende Kleidung nebst Schuhwerk angezogen haben. Es erfolgt noch ein prophylaktischer Besuch der Toiletten und wir stiefeln los.
Am Ufer vor dem Fairmont Chateau Lake Louise verweilen wir dennoch, aber die altbekannte Szenerie von Besuchermassen, die den Blick auf ihre Weise genießen und sich auf Selfies mit ihm verewigen, ist auch so früh am Morgen schon in vollem Gange. Aber im Gegensatz zu unseren vergangenen Visiten ist das Wetter schön. Die Berge im Hintergrund sind diesmal nicht wolkenverhangen und ihre Gipfel strahlen in der Morgensonne umrahmt von blauem Himmel und dem einen oder anderen weißen Schönwetterwölkchen im Hintergrund. Langsam laufen wir zuerst am Lake-Shore-Train entlang. Eine Übersichtskarte am Ufer informiert über die Wanderwege. Wir entscheiden uns, einen Wanderweg zum Lake Agnes zu gehen und dabei einen Abstecher zum Little Beehive zu machen, der eine weite Sicht über das Bow Valley bieten soll. Über eine andere Wegeführung vom Lake Agnes wollen wir dann wieder absteigen. Das wird also unsere geplante Wandertour sein und wir hoffen dabei auf einige tolle Ausblicke auf den Lake Louise.



Der Aufstieg zum Lake Agnes zweigt vom Lake-Shore-Trail, dem Uferweg schon unweit hinter dem Hotel Ressort ab. Forschen Schrittes wandern wir in den Berg. Allerdings sind wir auch hier nicht wirklich allein. Ein stetiger Strom von Touristen, meist echte Bergwanderer mit entsprechendem Outfit, aber auch der eine oder andere Lackschuhtourist steigt auf dem Weg nach oben. Mit zunehmender Höhe trennt sich zwar die Spreu vom Weizen, aber es ist doch ein recht begangener Wanderweg und das bleibt er bis zum Lake Agnes. Es dauert ein ganzes Weilchen, bis der Weg einen Blick über den See freigibt. Noch ist er gesäumt von hohen Bäumen, die es nicht erlauben, den See im Ganzen zu überblicken. Aber der Ausblick ist ein Vorgeschmack auf das, was wir weiter oben noch an Fernblicken geboten bekommen. Die meisten, der Wanderer halten hier bei ihrem Aufstieg. Es ist eine gute Gelegenheit, zu verschnaufen und dabei bereits einen schönen Ausblick zu genießen. Doch das meiste an Höhe liegt noch vor uns und so wandern wir weiter. Der Seeblick entschwindet vorerst wieder hinter den Baumwipfeln und unser Weg verlässt zudem die Bergflanke und führt auf ein sattelartiges Zwischenplateau am Berghang. Nach einigen Wegeminuten gelangen wir an einen kleinen See. Es ist noch nicht der Lake Agnes. Dieser kleine See heißt Mirror Lake. Er ist kreisrund, sehr klar und von hohen Bäumen umstanden. Das lässt ihn etwas verwunschen wirken, zumal sich über den Baumwipfeln hinter dem See die gewaltige Felswand des Big Beehive erhebt. Dieser Felsgipfel erinnert an einen Bienenkorb in XXL. Auch er kann bestiegen werden, was wir aber vorerst nicht geplant haben. Der Bergsattel ist hinter dem Mirror Lake zu Ende und die Bergflanke steigt wieder an. Somit steigt auch der Wanderweg wieder an und führt nach oben zu einem weiteren Satteltal zwischen Big Beehive und einem Bergrücken, welcher zum Little Beehive ausläuft. Diesen können wir hinter den Bäumen nicht sehen. Aber das Satteltal, von dem ein Sturzbach in den Mirror Lake strömt, erreichen wir nach einem steilen Aufstieg und kommen damit zum Lake Agnes. Der Lake Agnes ist ein echter Gletschersee, umgeben von mächtigen Bergriegeln und gespeist vom eisigen Schmelzwasser der umliegenden Eisfelder. Er selbst liegt in einem Bergzirkus nackter Felsgipfel, die kaum noch Pflanzenbewuchs zulassen. Umso erstaunlicher ist es, dass am Ufer des Sees eine traditionsreiche Ausflugsgaststätte liegt, das Lake Agnes Tea House.
Bevor der See und das rustikale Teehaus sich unseren Blicken öffnen, geht es über eine steile Treppe parallel zu einem Wasserfall über einen Felsvorsprung. Er liegt wie ein Riegel quer vor dem Lake Agnes und wie über eine Schwelle, verlässt ein Sturzbach den See. So sehr sich die Wanderer auf dem Weg verlieren, so sehr sammeln sie sich an solchen Wegezielen wieder an. Aber der Blick ist es wert. Es ist nicht der Blick hinunter zum Lake Louise, sondern der Blick in den Felsenkessel des Lake Agnes. Bänke erlauben es, auszuruhen und zu verweilen, ohne zwangsläufig im Teehaus einzukehren. Dennoch besuchen viele Wanderer das Lokal und genießen den Ausblick bei einem Tee auf der Terrasse. Hier am Teehaus sind wir 500 Meter über dem Lake Louise. Wir verweilen etwas am Ufer, beobachten einen vorwitzigen Stellers Jay - auf Deutsch Diademhäher genannt - und steigen dann an der rechten Bergflanke weiter hinauf zum Little Beehive. Den Little Beehive selbst werden wir nicht sehen können, da wir so an der Bergflanke zu ihm aufsteigen, dass wir uns der Felsformation von hinten nähern und letztlich oben auf seiner Spitze stehen. Auf dem Weg dahin ergeben sich endlich die ersehnten Perspektiven auf den Lake Louise. Aber auch den Mirror Lake sehen wir nun von oben und erkennen, dass seine kreisrunde von Wald eingerahmte Wasserfläche einem kleinen Spiegel gleicht - darüber trutzig der Big Beehive.



Am Ende des Trails erreichen wir den Aussichtspunkt auf dem Little Beehive. Er ist 2225 Meter hoch. Hier sieht man nicht nur den Lake Louise, sondern überblickt das ganze Bow Valley. Man sieht sogar das Tal des Kicking Horse River nach Westen abzweigen und mit ihm die Bahnstrecke der Canadian Pacific Railroad. Ergreifender Weise kommt gerade ein superlanger Güterzug vom Kicking Horse Pass angerollt dröhnt als kilometerlanger Lindwurm durchs Tal nach Osten. Der Weg zum Little Beehive ist ein Stichweg. Wir müssen also zum Lake Agnes zurück. Dort müssen wir über eine alternative Abstiegsroute nachdenken. Da es bergab geht, sind wir relativ schnell wieder an dem Bergsee und entschließen uns außerplanmäßig, auch zum Big Beehive hinaufzusteigen. Dies erscheint uns zweckmäßig, denn vom Aufstieg zum Big Beehive zweigt ein alternativer Abstieg zum Lake Louise ab. Um auf den Big Beehive zu kommen, gilt es zuerst den Lake Agnes zu umrunden. Dabei kommen wir über Geröllfelder und Schneefelder am hinteren Ende des Hochtals. Schließlich geht es an der linken Talflanke in Serpentinen steil am Hang hinauf. Es ist ein anstrengender Aufstieg, doch er offenbart auch schöne Ausblicke über den Lake Agnes von oben. Schließlich erreichen wir den Bergrücken, der das Hochtal des Lake Agnes vom tief liegenden Tal des Lake Louise trennt. Hier zweigt unser alternativer Abstieg ab. Wir haben jetzt nur noch einige hundert Meter auf dem Bergrücken zu gehen, um auf die äußerste Spitze des Big Beehive zu gelangen. Auch hier gibt es mehrfach tolle Aussichten auf den Lake Louise, der von hier oben, wie Milch mit Waldmeistersirup wirkt - milchig grün. Die Kanus auf dem See wirkten von hier oben, als seien schwarze Insekten auf der Milch kleben geblieben. Am Aussichtspunkt des Big Beehive angelangt, stielt ein Kiefernhäher (Clark's Nutcracker) dem Lake Louise die Show. Er flattert und scharwenzelt um die Besucher herum und scheint sich Hoffnung auf kleine Leckereien zu machen. Wir fotografieren ihn ebenso, wie alle anderen und sehen dann zu, wie wir ein möglichst perfektes Selfie machen können. Es zeigt sich ein weiteres Mal: An solchen Plätzen gehören von fünf Minuten je Vier dem Fotografieren und Eine dem Genießen der Aussicht. Ein verwitterter Shelter aus Baumstämmen steht hier auf dem Fels. Ansonsten aber muss man sich über Felsen kletternd um einen Ausblick bemühen. Schließlich machen wir uns auf den Rückweg. Kurz vor dem Abstieg zum Lake Louise verweilen wir an der Wegegabelung um einen Adler über dem Tal zu sichten, der dort vor kurzem noch kreiste, doch er bleibt verschwunden. Wir machen uns also auf den steilen Abstieg. Es ist, wie jedes Mal auf solch steil abfallenden Wegen, eine Marter für die Kniegelenke. Trotz Walkingstöcker sind wir recht langsam und knieschonend unterwegs und werden mehrfach von jungen Hüpfern überholt. Nun kommen wir an eine weitere Gabelung, die zuvor nicht so wirklich auf der Karte zu sehen war. Die Vermutung liegt nahe, dass der rechte Weg der längere sein dürfte, da er weiter entfernt vom Parkplatz auf den Seeuferweg treffen sollte. Also nehmen wir den Linken. Auch dieser Weg zieht sich hin. Zuweilen geht er nicht bergab sondern steigt sogar an. Irgendwann kommen wir zu unserer Überraschung wieder am Mirror Lake heraus. Zumindest ist von nun an der Rest des Rückweges vorhersehbar, da wir diesen Abschnitt schon kennen. Den Knien ist das egal; sie leiden immer mehr. Wir akzeptieren, dass uns weiterhin jüngere Wanderer mit Leichtigkeit überholen. Aber über jene Wanderer, die jetzt erst, zu so vorgerückter Stunde mit dem Aufstieg beginnen, wundern wir uns. Als wir endlich den Lake-Shore-Trail erreichen, gönnen wir und ein paar Minuten auf einer der zahlreichen Bänke und haben zum Abschluss noch mal den klassischen Blick über den See.



Die letzten paar hundert Meter zum Parkplatz laufen wir mit schweren Beinen, schmerzenden Knien und glühenden Fußsohlen. Aber wir fühlen uns sehr zufrieden mit dem geleisteten Tagwerk und die vielen Impressionen waren die beste Belohnung. Somit liegen nur noch Ruhe und kulinarische Freuden zum Abschluss des Tages vor uns. Nachdem wir uns der Wanderschuhe entledigt haben, fahren wir von Lake Louise zurück ins Bow Valley und dann auf den Parkway 1a. Den Castle Mountain passieren wir und fahren weiter ostwärts bis zum Johnston Canyon. Direkt gegenüber vom Zugang zum Canyon liegt der gleichnamige Campground. Hier checken wir zur Nacht ein. Erfreulicherweise hat dieser Platz auch warme Duschen, die uns nach einer solchen Wanderung sehr willkommen sind. Der Johnston Canyon steht morgen auf dem Plan. Doch heute wiegt uns das regelmäßige rattern der Canadian Pacific Railway-Züge mit regelmäßigem Heulen der Signalhörner in den Schlaf.



Mittwoch, 24. Juni 2015
Durch diese hohle Gasse muss er kommen

Der Johnston Canyon Campground liegt nicht allzu weit entfernt vom Eingang in die gleichnamige Schlucht, nur auf der anderen Straßenseite des Parkway 1a. Da wir aber die nächste Nacht am Two-Jack-Lake verbringen wollen, verlassen wir den Campingplatz und fahren zum Parkplatz am Beginn des Canyon-Wanderweges. Dieser Parkplatz ist nicht sehr groß und auch schon fast voll. Wir finden gerade noch eine freie Lücke und nehmen zur Kenntnis, dass gemessen an dem Andrang dies heute keine einsame Wanderung wird. Auf dem Parkplatz herrscht emsiges Treiben. Touristen rüsten sich zur Wanderung, sehen an der Infotafel oder suchen noch mal die Örtlichkeiten vor dem Marsch auf. Es sind wieder beide Kategorien vertreten, die echten Wanderer mit entsprechend gutem Schuhwerk und Wandergepäck, aber auch die Spaziergänger, die auf einem echten Bergwanderweg Probleme kriegen könnten. Mit dem Strom der Wanderer begeben wir uns zum Trailhead, wo es das Johnston Canyon Resort und sogar eine Art Ausflugsgaststätte gibt. Nach dem überqueren einer Fußgängerbrücke über den Johnston Creek beginnt der Weg entlang des Flüsschen, welcher hier gerade den tiefen felsigen Einschnitt des Canyons verlässt. Ein alberner Aufsteller in Form eines Schwarzbären lächelt den Wanderern mit einem Gesichtsausdruck, wie Yogi-Bär entgegen. Eine weitere Infotafel erklärt den Canyon-Wanderweg noch mal detailliert. Damit betreten wir den Johnston Canyon.



Der Weg ist als Lehrpfad angelegt. Hier kann man tatsächlich auch als Spaziergänger ungefährdet langgehen. Der Weg ist eben und ausreichend breit und wo nötig - das ist es fast immer - sind Geländer errichtet, um den Abgrund zur Schlucht zu sichern. So wandern wir los und gehen dabei ohne Eile vor. An den Schautafeln, welche von Zeit zu Zeit mit Erklärungen aufwarten, halten wir meistens und lesen Wissenswertes.
Wir passieren einige Abschnitte, wo der Weg zwischen senkrecht abfallenden Felswänden dem Lauf des Wildwassers folgt. An der Sohle der Schlucht ist kein Platz für beide, denn das Wasser bedeckt strudelnd und schäumend den Boden in der gesamten Breite zwischen den Felsen. Hier ist den Weg als Laufsteg an einer Seite der Felswand befestigt. In solchen Abschnitten ist der Weg natürlich viel schmaler und es erfordert einen Marsch in Gänsereihe. Bei Gegenverkehr wird es entsprechend noch enger. Neben den bizarren Windungen und Felsen der Schlucht und dem sprudelnden Wildwasserschnellen in der Sohle hat der Canyon zwei Höhepunkte. Es sind, wer hätte etwas anderes erwartet, Wasserfälle. Den ersten Wasserfall, die Lower Falls erreichen wir schon bald. Es ist ein typischer Schlüsselloch-Wasserfall. Er fließt nicht einfach über eine Schwelle und stürzt nach unten, sondern er tritt aus einer Verengung des Canyons wie aus einem Spalt und ergießt sich in einen fast höhlenartigen von Felswänden umgebenen Schacht, wo sich ein schäumendes Strudelbecken gebildet hat. Dem entsprechend gibt es nur sehr eingeschränkte Perspektiven, aus denen man den Wasserfall gut sehen kann. Einer dieser Standorte befindet sich auf einer höheren Stelle des Weges, dort wo er bereits weiter aufwärts zum Oberlauf führt. Der andere etwas verrückte Aussichtspunkt befindet sich an der anderen Flanke der Schlucht. Man muss dazu eine Brücke überqueren. Dann führt ein niedriger schmaler Tunnel durch den Fels. Dort wo er endet, blickt man direkt in den Schacht über dem Strudelbecken und sieht das herabstürzende Wasser in wenigen Metern Entfernung. In so unmittelbarer Nähe des Sturzbaches ist man sofort der sprühenden Gischt ausgesetzt. Vor allem die Linsen der Objektive sind sofort vollgespritzt und machen die Fototechnik zeitweilig unbrauchbar. Aber auch Haare, Gesicht und Kleidung werden mit jeder Sekunde, die man hier ausharrt immer nässer. Also halten wir uns an diesem zugegeben einzigartigen Aussichtspunkt nur zwei bis drei Minuten auf und versuchen dann vorbei an den nachströmenden Wanderern uns wieder durch den Tunnel zurück zu zwängen. Wir wandern weiter hinauf in die Schlucht. Es geht nun häufiger auf der oberen Kante der Westwand vom Canyon entlang. An einigen Stellen sieht man, wie die Schlucht sich in Schlaufen in den Grund geschnitten hat. Das lässt die gegenüber liegende Felswand zuweilen wie ein Schiffsbug erscheinen, der vom Johnston River brodelnd umflossen wird. An einer besonders bizarren Windung des Canyon versuchen wir, ein Selfie zu schießen - eine Herausforderung bei so wenig Platz für Stativ und Personen vor dem eigentlichen Motiv, dem Canyon. Schließlich lauert einen halben Schritt weiter bereits eine erhebliche Absturzgefahr.



Bald darauf gelangen wir an den zweiten markanten Höhepunkt der Schlucht, dem Upper Fall. Er hat eine größere Fallhöhe und stürzt nahezu senkrecht hinunter. Auch hier sind Aussichtsplattformen jeweils unterhalb des Falles und weiter oben errichtet worden. Die untere Plattform bietet zudem einen frontalen Blick auf die gegenüber liegende Wand des Canyon, die hier aus gelblich-ockerfarbenem Sedimentgestein besteht. Auch in diesem Falle ist die untere Plattform einem feuchten Nebel vom den sprühenden Sturzbächen des Wasserfalls ausgesetzt, der in mehreren parallelen Strahlen nach unten fällt. Auch auf der oberen Plattform verweilen wir und gegen schließlich weiter. Wenige Meter weiter ist der Lehrpfad zu ende. Der Wanderweg geht jedoch weiter. er verlässt den Canyon und entfernt sich vom Johnston Creek - vorerst. Ein Schild zeigt als nächstes Ziel sogenannte Inkpots an. Würden wir jetzt kehrt machen, wäre die Wanderung entschieden zu kurz ausgefallen. Daher entschließen wir uns, weiter zu gehen. Der Wanderweg ist nun ein echter Bergwanderpfad geworden. Der ausgebaute Stieg mit Geländer ist einem ausgetretenen Pfad gewichen. Nun sind auch weniger Wanderer zu sehen. Zunächst geht es wenig spektakulär durch den Wald und dabei zunehmend nach oben. Ganz selten öffnet sich mal ein Fernblick, meist auf die Gipfel über der östlichen Seite des Johnston Canyons. Nach kilometerlanger Wanderung erreichen wir das Ziel - die Inkpots.
Die Inkpots sind Springquellen, die in flachen Lachen und Tümpeln an die Erdoberfläche treten. Dabei bringen sie natürliche Farbstoffe aus dem Untergrund nach oben und färben das Wasser bläulich und grünlich. Am Grund der Tümpel, deren Wasser an sich sehr klar ist, sieht man das aufsteigende Wasser in Form von brodelndem Farbschlamm. Diese Inkpots sind für sich genommen schon recht sehenswerte Naturerscheinungen, aber dieser Ort hat mehr zu bieten. Denn der Wald hat sich hier zu einer Alm gelichtet und hundert Meter weiter fließt der Johnston Creek. Doch hier hat er einen gänzlich anderen Charakter, als im tiefen Grund des Canyons, wo er reißend und gefährlich in Kaskaden hindurch schießt. Hier ist er - natürlich ebenfalls als Wildwasser - ein Flüsschen, was über ein seichtes steiniges Bett strömt. Schnell, aber flach und vor allem sonnendurchflutet windet er sich durch die Wiesenaue, wo sich an seinem Ufer dutzende Wanderer zum Picknick niedergelassen haben. Es könnte keinen perfekteren Ort für ein Picknick geben, zumal hier das Ende des offiziellen Wanderweges ist. Auch wir lassen uns hier für eine entspannte Pause nieder. Wir verbringen eine ganze Menge Zeit hier, vielleicht sogar eine Stunde. Das Picknick, der Ausblick auf das Bergpanorama über dem Flüsschen und das Umherschlendern an den Inkpots sind es aber wert, hier die Zeit zu vergessen. Doch irgendwann gewinnt die Unruhe überhand und wir begeben uns auf den Rückweg. Dieser ist nun geprägt von denselben Stellen, die wir bereits vom Hinweg kennen. Daher halten wir uns weniger lang auf. Als wir den Canyon Lehrpfad wieder betreten, pausieren wir dennoch wieder, denn einige freche, aber faszinierend verspielte Erdhörnchen gewinnen unsere Aufmerksamkeit. Wir beobachten und natürlich filmen und fotografieren wir sie. Ihr agiles und nahezu schauspielerisches Possenspiel bringt uns auf den Gedanken, sie in einem unserer Filmchen mit einer Sprechrolle zu versehen. Auf dem Rückweg im Canyon zeigen sich die Lichtverhältnisse etwas verändert. Es ist in solchen Schluchten generell schwierig, mit dem Licht ein Arrangement zu treffen. Düster am Boden und gleißend hell in den oberen Etagen lassen sich kaum Bilder fabrizieren die ausgewogen belichtet sind. Doch jetzt mit dem Licht aus West sieht es zumindest etwas besser aus.



Also nutzen wir den Umstand, dass wir überall noch mal vorbei müssen, um die einzelnen Höhepunkte des Canyons noch mal in anderem Licht zu fotografieren. Und so passieren wir die markanten Stellen abermals, wenn auch im schnellen Rücklauf.
Am Ende können wir auf eine recht ordentliche Wanderung zurückblicken und am Parkplatz angelangt fühlen wir uns noch nicht einmal allzu sehr erschöpft. Somit schauen wir bereits dem Abend entgegen, den wir am Two-Jack-Lake ausklingen lassen wollen und nun Kurs nach Osten auf der 1a nehmen. Der Campground am Two-Jack-Lake ist uns wohlbekannt, zumindest der kleinere von beiden, der Lake-Side-Campground. Hier haben wir vor einem Jahr den Wintereinbruch in den Rockies erlebt und fanden seine Lage am See dennoch wunderschön. Somit sollte er noch mal für eine Nacht unsere Heimstatt werden. Doch auch heute werden Wunsch und Realität mal wieder auseinanderdriften. Denn unser Wunschplatz ist überfüllt. Naja, es gibt ja einige hundert Meter weiter, den anderen Two-Jack-Lake Campground - "Two-Jack-Lake Main". Der liegt zwar nicht direkt am See, sondern mehr im Wald, aber was soll's. Doch wenn es kommt, kommt's dicke, der Two-Jack-Lake Main hat noch geschlossen und auch er wird erst am 1. Juli geöffnet. Jetzt sind wir wieder sehr enttäuscht und müssen zwangsläufig nach Banff auf den Tunnel Mountain Campground. Zumindest drehen wir noch die Runde entlang dem Lake-Minnewanka-Scenic-Drive. Hier fahren wir noch mal am Two-Jack-Lake vorbei mit Blick vom Berghang und kommen auch am Lake Minnewanka vorbei, wo wir aber nicht mehr halten. Dann fahren wir nach Banff hinunter. Die stadtnahen Campgrounds bei Banff sind grundsätzlich nicht schlecht. Aber sie sind sehr groß und wirken daher nicht ganz so einsam und wild. Es sind ihrer drei: Tunnel Mountain Village 1, Village 2 und Trailer Court. Wir steuern Village 1 an, weil er am weitesten im Wald liegt. Zudem buchen wir beim Einchecken eine Feuererlaubnis dazu, denn es ist Zeit, sich unserer Holzvorräte zu entledigen, die wir noch immer im Camper geladen haben. Nachdem wir auf den zugewiesenen Stellplatz gefahren sind, freunden wir uns schnell mit der Stelle an. Sie ist umgeben von lichtem Wald, durch den die umliegenden Berge zu sehen sind. Der Platz ist weitläufig und viele der umliegenden Stellplätze sind nicht belegt. Fünfzig Meter weiter zwischen den Bäumen sind Sanitäranlagen mit Warmwasser, Duschen und WC. Und es tummeln sich Erdhörnchen auf dem Platz und zwar in Scharen. Eines hat sogar den Eingang des Baus direkt an unserem Feuerplatz. Zu seinem eigenen Schutz verschließen wir den Eingang mit einem Holzscheit.



Am Ende wird der Abend beim Lagerfeuer wieder zum romantischen Tagesausklang und vermutlich auch zum Abschluss des wilden Teils der Reise. Es war ein warmer Sommerabend und wir saßen bis in die Dunkelheit am Lagerfeuer. Vor dem Schlafengehen raschelte es hinter dem Wohnmobil und im Schein der Stirnlampen sahen wir einen Wapiti Blätter von einem Strauch fressen.



Donnerstag, 25. Juni 2015
Bogental zwischen Tunnelberg und Schwefelberg

Heute werden wir uns Banff City anschauen. Der Tunnel Mountain Village 1 Campground liegt zwar am Ortsrand von Banff, aber doch schon im Wald. Um zu Fuß in die Stadt zu gehen, ist es doch recht weit. Zudem haben wir nur für eine Nacht eingecheckt und müssen ohnehin zum Check-In fahren. Da der Platz uns aber gefallen hat, wollen wir noch um eine Nacht verlängern und dann in den Ort fahren. Check-Out und Check-In gestalten sich problemlos, aber da wir diesmal kein Feuerpermit benötigen, bekommen wir einen Platz in einer feuer- und rauchfreien Schleife des Campgrounds zugewiesen. Bevor wir in die Stadt weiterfahren, vergewissern wir uns, dass es eine Dumpstation gibt. Schließlich ist Morgen der Tag der Rückgabe des Wohnmobiles. In Banff gibt es sogleich die erste Herausforderung zu meistern und dies ist die Eroberung eines geeigneten Parkplatzes. Es gibt einige Parkplätze in relativer Nähe zum Ortskern, aber die sind schon ziemlich voll und meist nicht für Wohnmobile geeignet. Doch nach einigem Zick-Zack - wir müssen noch nicht einmal eine Ehrenrunde fahren - finden wir eine letzte Lücke zwischen anderen, bereits in Reih und Glied parkenden Wohnmobilen. Der Platz ist strategisch bestens gelegen und es sind nur drei Minuten bis zur zentralen Straße von Banff, beziehungsweise bis zum Bow River. Banff ist der Hauptort des Banff Nationalparks und dieser ist der älteste Nationalpark Kanadas. Somit hat sich das Städtchen, das 1884 seinen Namen von einem Direktor der Canadian Pacific Railway erhielt, bereits seit 1885 eine Entwicklung als Erholungsort genommen. Er ist für kanadische Verhältnisse also eine geschichtsträchtige Stadt. Vor allem aber ist sie ein touristischer Schmelztiegel, der jährlich von riesigen Touristenscharen besucht wird. Dementsprechend bietet das Städtchen, welches selbst nur knapp 7000 Einwohner hat, eine Menge an Übernachtungsmöglichkeiten, Gastronomie und Shoppingangeboten. Wenn irgendwas in Kanada mit noblen Schweizer Alpenkurorten vergleichbar ist, dann wäre es Banff. Als Zentrum des Nationalparks hat die Stadt natürlich auch kulturelle Angebote, darunter einige Museen und ein Besucherzentrum. Dies steuern wir als erstes an. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Besucherzentren eine gute Informations- und Inspirationsquelle für Unternehmungen in der Umgebung sind. Kostenloses Informationsmaterial und freundliche Ranger helfen einem weiter. Aber auch die Chance auf ein anderes kostenloses Angebot ist groß: kostenloses WLAN. Nach einem kleinen Umweg - wir sind in eine falsche Seitenstraße eingebogen - finden wir das Visitor Center und versuchen, ein Plätzchen in einem Lounge-Sessel zu ergattern. Das Besucherzentrum ist allerdings sehr voll. Daher erwischen wir gerade mal einen freien Sessel, zudem ist dieser - nicht sehr diskret - mit dem Rücken einem Infoschalter zugewandt. Kostenloses WLAN gibt es zwar, doch auch dieses leidet unter der Vielzahl surfender Gäste und ist extrem lahm. Letztlich erledigen wir nur die dringendsten Sachen, vor allem E-Mail-Grüße und geben schließlich auf. Nach dem Verlassen des Besucherzentrums schlendern wir die Banff Avenue entlang in Richtung des Bow River. Die meisten Läden an der zentralen Straße sind Souvenirläden, aber auch Bekleidung und Luxusartikel werden feilgeboten. Dazwischen stehen Hotels und Pensionen, Restaurants und der eine oder andere Lebensmittelladen. Läden sind verführerisch und wir schauen in manch einen hinein. Am Ende der Banff Avenue überquert die Straße den Bow River und führt dann weiter zum Fairmont Banff Springs Hotel. Wir biegen vor der Brücke ab und begeben uns in den Park, der sich am Ufer des Bow River entlangzieht. Auf einer Parkbank picknicken wir mit Blick auf den Fluss. Da wir einen Rucksack mit allem Notwendigen dabei haben, sind wir unabhängig wie die Stadtkaninchen. Der Bow River in Banff ist etwa mit dem Rhein bei Liechtenstein zu vergleichen. Er fließt noch als Wildwasserfluss, aber schon in beträchtlicher Breite durch ein weites Tal, das Bow Valley und wird schon bald die Berge in die Ebene im Osten nach Calgary verlassen. Auf der Parkbank entspannend, beschließen wir, auf der anderen Flussseite dem Parkstreifen in Richtung Fairmont Banff Springs Hotel zu folgen. Dazu überqueren wir den Fluss nicht über die Autobrücke, sondern eine hundert Meter weiter flussabwärts befindliche Fußgängerbrücke, die Teil des Parkwegesystems ist. Auch auf der anderen Flussseite bildet der Grünstreifen am Fluss einen waldartigen Park. Dahinter sieht man Häuser zwischen den Bäumen, aber dies sind nun vornehmlich Pensionen und Ferienhäuser. Auf den Parkwegen sind viele Spaziergänger unterwegs - hauptsächlich Touristen. Aber hier tritt noch eine weitere Kategorie von Urlaubern in Erscheinung, nämlich Kurgäste. Vermutlich wohnen sie in den umliegenden Pensionen und Ferienwohnungen und joggen oder spazieren im Park oder führen ihre Hunde aus.



Nach einigen hundert Metern wird das Ufer steil und der Weg führt über Treppen nach oben. Auf beiden Seiten ist der Fluss nun von Felsen eingeengt und die Strömung wird wilder. Nach Erklimmen der Stufen blicken wir von einem erhöhten Aussichtspunkt über den Fluss und sehen unter uns das Wasser in Stromschnellen, ja Wasserfällen hinabtosen. Zudem hat sich der Blick nach hinten geöffnet und wir sehen den trutzig-mondänen Bau des Banff Spring Hotels mit dem Sulphur Mountain im Hintergrund. Genau genommen ist es die Rückseite des Hotel, die wir sehen, denn die Vorderseite mit dem Haupteingang zeigt in Richtung Sulphur Mountain. Einer Legende zufolge sollen die Baupläne um 180° gedreht worden sein, als der Bau errichtet wurde, so dass versehentlich der Blick über den Bow River hinüber zum Tunnel Mountain der Rückseite des Gebäudes zuteilwurde. Hier halten wir uns ein Weilchen auf und schlendern schließlich zurück. Im Ortskern werden wir uns nach einer gastronomischen Gelegenheit umschauen um einen Happen zu essen. Wir laufen gemächlich denselben Weg zurück und genießen die müßiggängerische Stimmung des Kurparkes, bis wir wieder über die Fußgängerbrücke in die Innenstadt eintauchen. An einigen Kreuzungen der Banff Avenue gibt es Ampelschaltungen, die wie in Tokyo, rot für Autos aller Fahrtrichtungen schalten und den Fußgängern das Passieren der Kreuzung in alle Richtungen erlaubt. Wir beobachten diese Regelung voller Faszination. Die Fußgängerüberwege sind an diesen Kreuzungen auch diagonal aufgezeichnet und wenn die entsprechende Phase eintritt, läuft eine Menschenmenge an allen vier Einmündungen und über beide Diagonalen zum gegenüberliegenden Trottoir.



Wir schlendern die Banff Avenue entlang und halten gezielt Ausschau nach einem Restaurant, das uns zusagt. Schließlich sehen wir an einer Straßenkreuzung in der Nähe des Besucherzentrums ein Gebäude mit großem Eckbalkon im Obergeschoss, wo biertrinkende Gäste logieren. Das macht uns neugierig und wir suchen den Eingang. Dieser ist nicht leicht zu finden, denn im Erdgeschoss befindet sich eine Reihe von Boutiquen. Doch dann gelangen wir über eine Treppe ins Obergeschoss und schließlich ins Restaurant. Balkonplätze seien leider alle besetzt, teilt uns eine Kellnerin mit, aber es gibt in einem der Räume eine offene Fensterfront mit einem Bartresen. Man stelle sich dies vor, wie ein extrabreites Fensterbrett - so breit, wie ein Tresen mit Barhockern davor. Das ist natürlich eine gewitzte Alternative zum Balkon und wir nehmen Platz. Eine richtige Bar mit Zapfhähnen gibt es in diesem Raum auch und ein Barmann mit Threadlocks und löchrigem T-Shirt nimmt unsere Bestellung auf. Ein großes Glas Wasser für jeden gibt es gratis vorweg. Das Restaurant nennt sich Wild Bill Saloon und ist im Western Stil dekoriert. An den Wänden hängen Reproduktionen von Fotos aus den Zwanzigern die vom Leben der Cowboys zeugen. Wir bestellen jeder ein Bier und ein Wildlachsgericht mit unterschiedlichen Beilagen und bauen das Notebook auf, denn es gibt freies WLAN. Es ist diesmal wirklich schnell und wir können auch Bilder hochladen. Vom Fenster aus haben wir einen Blick über die Banff Avenue und eine dieser Kreuzungen mit der verrückten Fußgängerphase. Darüber erhebt sich das Bergpanorama des Bow Valley mit dem Tunnel Mountain im Vordergrund. Bald kommt das Essen und es ist schmackhaft. Allerdings ist es auch ungewöhnlich, wenn man deutsche Maßstäbe anlegt - so auch ein Biskuit im Arrangement des Hauptgerichts. Wir sitzen zu gut, um nach dem Essen gleich zu zahlen. Daher strecken wir unsere Getränke zeitlich in die Länge und nutzen das Internet noch ein Weilchen. Träge entschließen wir uns, um die Rechnung zu bitten und machen uns alsbald auf den Weg.



Obwohl wir nur in der Stadt unterwegs waren, empfanden wir das Pensum durchaus als umfangreich. Daher begeben wir uns langsam schlendernd zum Parkplatz, um zum Campground zurück zu fahren. Die Stadt scheint überzuquellen vor Urlaubern und wir bahnen uns unseren Weg über die Bürgersteige bis zu unserem Wohnmobil. Dann rollen wir im hier üblichen Kriechtempo durch die Stadt in Richtung Tunnel Mountain. Noch einmal passieren wir dabei die Kreuzung mit der verrückten Fußgängerampel. In der Nähe des Campgrounds steuern wir noch einen Aussichtspunkt an, wo man hoch über dem Bow River ins Tal hinab schaut. Der Tunnel Mountain liegt rechter Hand in unmittelbarer Nähe. Sein Name stammt von den unverwirklichten Plänen der Canadian Pacific Railway, einen Tunnel hindurch zu bohren. Aus Kostengründen wurde jedoch eine Lösung verwirklicht, die um den Berg herum führt. Daher macht die Bahnstrecke nun einen Bogen über die Cascade Ponds zwischen Tunnel Mountain und Cascade Mountain, den wir im Norden aufragen sehen. An diesem Aussichtspunkt sieht man praktisch nur die Landschaft als großartiges Gebirgspanorama. Die Stadt Banff verbirgt sich vollständig hinter dem Tunnel Mountain. Man hat diesen Ausguck sogar mit Relax-Sesseln ausgestattet, die wir in Anspruch nehmen.
Nachdem wir zurück auf den Campground gekommen sind, ist noch genügend Zeit, um ein wenig Ordnung ins Wohnmobil zu bringen. Wir haben es morgen besenrein, vollgetankt und mit gelehrten Abwassertanks abzuliefern. Für die Besenreinheit sorgen wir schon mal vor. Die Abwassertanks werden wir morgen früh an der Dumpstation leeren. Und was das Tanken betrifft, so sind wir etwas beunruhigt über den schon so niedrigen Tankfüllstand. Aber der Ehrgeiz, mit dem US-Sprit noch bis Calgary zu kommen, hat uns nicht verlassen. Was machbar ist, wird der morgige Tag zeigen. Die Loop, in der wir heute stehen, ist ohne Feuerstellen. Sie ist auch gut belegt. Am Abend sehen wir keine freien Plätze mehr. Auch diese Loop ist mit einem Sanitärgebäude in der Mitte des Ovals von Stellplätzen ausgestattet und auch hier sind warmes Wasser, Duschen und WC vorhanden. Wir verbringen noch einen ruhigen Abend, der nur von Zeit zu Zeit durch das Signalhorn der Canadian Pacific gestört wird.

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