VANCOUVER 96
Vier Tage Kanadafieber in der Traumstadt am Pazifik
Rainer & Familie unterwegs in den Pfingstferien 2018


Teil 1

Text: Rainer Schoof

Es wurde Zeit für dieses Reiseprojekt! „Vancouver 96“ – vier Tage bzw. 96 Stunden in der Traumstadt am Pazifik. Seit Jahren empfehlen wir unseren Kunden, etwas mehr Zeit in Vancouver zu verbringen, aber wie selten kommt man dann doch selbst dazu. Aber jetzt geht’s los. Über den Atlantik nach Vancouver – hinein in den Frühsommer an der Pazifikküste. Und zwar mit der ganzen Familie: Meine Frau Mirjam und unsere Kinder Anna (10) und Felix (12) – ja, und ich natürlich. Die „neuen“ Pfingstferien in Nordrhein-Westfalen machen’s möglich: Zum ersten Mal hat meine ja komplett schulpflichtige Familie (2x Schüler, 1x Lehrerin) eine volle Woche frei. Also, auf nach Vancouver!

VANCOUVER 96: Stunde 1-9 (1. Tag)

Ankunft am internationalen Flughafen von Vancouver. Der Himmel ist bedeckt, die Ausblicke im Anflug auf die Pazifikmetropole waren aber mal wieder grandios: Fraser River, Coast Mountains, Wolkenkratzer, Pazifik – wir sind in Vancouver! Erstaunlich schnell sind die Zollformalitäten erledigt. Scheint tatsächlich an den neuen Terminal-Kiosken zu liegen, an denen man man sich selbst schnell nach Kanada eincheckt. Die Daten kann man mit Hilfe der „eDeclaration“-App von CanBorder schon bequem vorher im Flieger (offline) ins eigene Smartphone eingeben. Die App kreiert dann einen QR-Code, der dann an den neuen Kiosken einfach nur noch eingescannt werden muss. Einfach das Smartphone auf den Scanner legen, noch ein paar mal bestätigen und fertig. Der Ausdruck wird dem Grenzbeamten vorgelegt, der – so mein Eindruck – dann auch geneigt ist, sich das sonst übliche kleine Interview zu sparen oder es zumindestens zu verkürzen.

Erstaunlich schnell ist auch das Gepäck auf dem Band. „Wenn’s läuft dann läuft’s“, denke ich und beschließe, jetzt auch auf das sonst für uns fast schon obligatorische Taxi zu verzichten. Nein, mit dem Skytrain fahren wir heute nach Vancouver rein! Meine Frau zieht die Stirn in Falten, die Kinder finden es cool. Schließlich gibt es sofort was zu sehen bei der Fahrt über den Fraser River – Felix zählt die Holzflöße. Oder schon vorher beim Passieren der McArthur-Glen-Outlet-Mall, die Annas Augen glänzen lässt! „Yaletown Roundhouse“ ist unsere Station mitten in Downtown Vancouver. Und tatsächlich – gute 20 Minuten brauchen wir nur auf der Schiene! Und jetzt sind es nur noch 2-3 Blocks zum Rosedale Hotel – man könnte also gut laufen. Zumal allein das Vorbeilaufen an den vielen stimmungsvollen Lokalitäten wie dem Yaletown Brew Pub schon Lust auf den Abend machen würde. Aber als wir über die Rolltreppe an die Oberfläche rollen, da steht da ein Taxi an der Straße. Ein Zeichen, da ist sich die ganze Familie einig. Und so fahren wir die letzten Meter dann doch noch Taxi. Ist auch angenehmer mit dem ganzen Gepäck. 25 Minuten vom Airport zum Rosedale – mit Skytrain und Taxi – Hammer! So mache ich es jetzt immer! Schnell und günstig – etwa drei Dollar pro Person für den Zug und nochmal sechs für das Taxi. Deutlich günstiger als die 32-Dollar-Flatrate für ein Taxi vom Airport. Und irgendwie cooler. Man ist direkt mittendrin in Vancouver.

Und dann sind wir „Zuhause". Denn das berühmte „Home away from home“ ist das Rosedale on Robson Suite Hotel für mich ja schon lange. Mal abgesehen davon, dass mich eine jahrelange Freundschaft mit der Verkaufsdirektorin und Mitbesitzerin Jillian Francis verbindet, finde ich die Lage einfach klasse – an der farbenfrohen Robson Street, so mitten zwischen Waterfront-Downtown und Yaletown, zwischen Burrard Inlet und dem False Creek. Und die Suiten sind auch echt gut. Wir bekommen eine 2-Bedroom-Suite im 14. Stock. Für die Kinder natürlich immer noch aufregend. Ja, es gibt ein richtiges kleines Wohnzimmer, einen Kühlschrank, Mikrowelle und eine Kochgelegenheit. „Da müssen wir ja gar nicht Essengehen!“, trällert Anna. OK, langsam – so richtig benutzen wollte ich den Gasherd eigentlich nicht. Aber den Kühlschrank. Ich nutze die allgemeine Ausgelassenheit beim Beziehen der neuen Vancouver-Wohnung und die ersten Streitigkeiten darüber, wer das Bett am Fenster bekommt und flitze schnell rüber auf die andere Straßenseite zum Seven-Eleven-Laden, um etwas Obst, Wasser und frische Milch zu besorgen. Letztere für den Keurig-Kaffeautomaten in unserer Suite, der von mir erfahrungsgemäß stark frequentiert wird. So, fertig. Angekommen.

Und jetzt? Was tun mit diesem ersten Abend in Vancouver? Auf zum Wasser, oder? Ich finde, wenn das Wetter einigermaßen mitspielt – und das tut es heute – dann muss man sich einfach auch noch einmal mit allen Sinnen vergegenwärtigen, dass man am Pazifik angekommen ist! Ich gehe dann am liebsten zum False Creek. Und so machen wir es auch heute. Nicht alle, denn Felix hat es überraschend geschmissen. Er will sich einfach nur hinlegen, einfach nur schlafen. Alle Überzeugungsversuche, den Jetlag doch noch ein wenig zu bekämpfen, bleiben fruchtlos. Nun denn, dann ist es so. Wir zuckeln zu dritt los. Jetzt laufen wir aber tatsächlich durch Yaletwon. Tut gut, sich zu bewegen! Hinunter zum False Creek, wo wir am Yaletown-Anleger auf eines der kleinen Bötchen von Aquabus bzw. False Creek Ferries steigen, die als sehr effektive und stimmungsvolle Wassertaxis im False Creek fungieren. Für uns heute doppelt angenehm – die frische Seeluft tut nach dem langen Flug richtig gut! Unser Ziel: das Aquatic Center an der English Bay, einem der langen, tollen Strände von Vancouver. Die angeschwemmten Holzstämme, der Blick auf das Meer vorbei an den weit draußen in der Bucht vor Anker liegenden Frachtschiffen bis zu den Bergen von Vancouver Island und zur anderen Seite die schneebedeckten Coast Mountains hinter der Skyline von Vancouver Downtown – es ist einfach ein besonderer Ort! Mit einer ebenso besonderen Stimmung. Man ist draußen am Meer, am Strand – und doch mitten in der Stadt. Das Thema, das Vancouver wie kein andere Stadt kennzeichnet: Die Metropole, die gleichzeitig so viele Schnittstellen zur Natur bietet. Hier in Vancouver kein Widerspruch. Im Gegenteil, es ist für die Vancouverites völlig normal. Kein Wunder, dass hier ganz gut was los ist. Es ist Wochenende. Übermorgen ist Victoria Day. Das lange Wochenende im Mai! Familien picknicken am Strand, relaxed an die Baumstämme gelehnt. Kinder springen herum, buddeln im Sand. Es wird Beachvolleyball oder mit dem Frisby gespielt. Musiker alle paar hundert Meter. Und die ersten Verwegenen tauchen auch schon die Badehose in den Pazifik. Ach, es ist einfach toll, wieder hier zu sein!

Als Dinner-Location habe ich heute den Cactus Club an der English Bay gewählt – hatte vorher kurz durchgerufen und einen Tisch reserviert. Sehr sinnvoll, wie sich während des Telefonats heraussstellte – der Laden ist gut gebucht. Und ich ein neuer Fan von ihm! So dicht am Strand – sogar vom Strand gesehen noch diesseits der Uferstraße und der Seawall. Dem Uferweg für Fußgänger und Radfahrer entlang der Küste um die gesamte Innenstadt herum. Man blickt über den Strand auf das Wasser. Die Sonne ist inzwischen herausgekommen und es wird richtig warm. Beach-Life! Strandfeeling! Frau und Tochter setzen mit einem zufriedenen Lächeln ihre verspiegelten Sonnenbrillen auf und blicken in die illustre Runde der Gäste des Lokals. Alles ist offen – man sitzt praktisch draußen, auch wenn man einen Tisch drinnen hat, so wie wir. Gut gelöst mit Hochtischen, so dass man tatsächlich über die erste Reihe der Draußentische hinwegblickt. Das Essen ist auch richtig gut. Keine Nobel-Cuisine, natürlich. Aber Cactus Club halt: durchaus stylisch, aber nicht abgehoben. Einzige Gästefalle, in die gerade wir natürlich wieder mit Vollgas reinrausche: Stimmung und Location verleiten zum richtigen Genießen. Für die Damen muss es nun ein Cocktail sein (Anna nimmt den alkoholfreien Shirley Temple), ich bestelle direkt eine ganze Flasche Wein und gönne uns auch eine Vorspreise – das Flatbread. Weil’s gerade so schön ist – und wer weiß, wann man hier wieder herkommt. Ich kann ein Meister der Selbstüberzeugung sein. Aber der Erfolg gibt mir recht: Es wird ein wundervoller, sehr stimmungsvoller und kulinarisch würdiger Abend vor einer von Vancouvers Traumkulissen. Was will man mehr?



VANCOUVER 96: Stunde 18-35 (2. Tag)

Der nächste Morgen. Pünktlich um 6.30 sind wir unten in der zweiten Etage beim Continental Breakfast. Wirklich eine sehr gute Sache dieses Frühstück. Gerade für uns heute am ersten Morgen genau das richtige. Kaffee, Toast, ein Ei – ein bisschen was Süßes – passt. Wir wollen ja dann auch gleich direkt los. Wir haben viel vor heute. Und das Wetter? Na, sagen wir mal, es gibt Luft nach oben. Die Sonne ist nicht zu sehen, aber es regnet nicht. Und die Temperaturen: kurze Hosen – und das im Mai!

Auf geht’s! Wir wollen den ersten vollen Tag in Vancouver so beginnen, wie ich ihn als Tour-Guide Anfang der Neunziger immer mit meinen Gruppen begonnen habe: Frühmorgens auf dem Vancouver Lookout im Harbour Center. Entsprechend früh stiefeln wir vom Rosedale los. Nein, ein Taxi braucht man für die paar Blocks nicht. Außerdem finde ich die ersten Schritte am Morgen in der Pazifikmetropole immer besonders stimmungsvoll – wenn alles um einen herum erwacht und in Bewegung kommt, wenn die ersten Herren in grauen Anzügen auf die verspiegelten Wolkenkratzer zuströmen, wenn es an der Fußgängerampel rechts und links aus den Pappbechern nach Kaffee riecht und sämtliche Starbucks-Filialen auf dem Weg schon Hochkonjunktur haben. 

Wir erreichen das Harbour Center und fahren mit der Rolltreppe hinunter zum Fahrstuhleinstieg zum Vancouver Lookout. Wir sind tatsächlich die Ersten. Ist vielleicht ein Tick von mir, aber ich finde es immer herrlich, wenn man solche Attraktionen zumindest einen Augenblick für sich allein hat. Und man weiß nie, wie lang so ein Augenblick dauert. Heute haben wir Glück und sind bestimmt volle 20 Minuten ganz allein. Karten von Downtown sind gut, aber wieviel wertvoller ist es, alles auf einen Schlag von oben sehen zu können. Man bekommt ein gutes Gefühl für die Innenstadt. Man kann direkt abspeichern, was in den kommenden Tagen gut laufbar ist. Mein Lieblingsblick ist der über das Burrard Inlet – startende und landende Wasserflugzeuge im Vordergrund, Stanley Park, Lion’s Gate Bridge, Pazifik und Coast Mountains im Hintergrund. Und nach Osten blickend verschwindet das Inlet im weitläufigen Indian Arm. Ja, hier kann man schon recht lange stehen und einfach nur gucken!

Wir schlendern hinüber zur Hornby Street. Zum kleinen aber feinen Laden von Cycle City Tours Vancouver. Hier startet unser nächstes Vancouver-Abenteuer. Auf einer geführten Raddtour soll es durch den Stanley Park gehen. Das wollte ich schon immer einmal machen. Im Laden kommt direkt unser gut gelaunter Guide auf uns zu. Adam heißt er und lebt eigentlich in Victoria. Für den Sommer kommt er aber nach Vancouver – des Radelns wegen. Es mache ihm so viel Spaß, mit seinem Rad durch die Stadt und den Park zu gondeln und dabei sein Wissen an dankbare Mitradler weiterzugeben. Na, hört sich doch gut an!

Adam berät uns bei den Leihrädern, die wir letztlich dann aber selbst auswählen dürfen. Alles wird eingestellt, vor allem die Sitzhöhe. Und Helme gibt’s auch. Wer möchte, kann auch einen Fahrradkorb dazubekommen. Ich bin beeindruckt von der Materialqualität. Die Räder sehen aus wie geleckt – und es sind sicher nicht die günstigsten. Ich steige auf und fahre ein paar Testmeter – vor dem Laden geht direkt einer der neuen Radwege her – und bin begeistert. Sehr leichtläufig, die Schaltung wie bei meinem Rad zuhause. Also wegen mir kann’s losgehen. Noch nicht ganz, lässt mich Adam geduldig lächelnd wissen. Nein, zunächst schieben wir alle die Räder zum wenige Meter entfernten Robson Square und jeder kann erst einmal ein paar Testrunden drehen, um sich mit dem Rad vertraut zu machen. Wie leichtläufig ist es, wie stark greifen die Bremsen? Macht schon Sinn so. Dauert ja auch nur ein paar wenige Minuten. Und dann geht’s los.

In weniger als fünf Minuten manövriert uns Adam über die Radspuren der Innenstadt hinunter nach Coal Harbour und zum Canada Place. Von hier geht’s in Richtung Stanley Park, an der Waterfront entlang. Und schlagartig zieht mich diese Tour in ihren Bann! Denn den Weg zum Westin Bayshore Hotel, vorbei am Seaplane Terminal von Harbour Air und dem Dock von Prince of Whales Whalewatching kenne ich eigentlich. Aber so schön habe ich ihn noch nie erlebt! Ich wusste gar nicht, dass es hier so einen tollen Radweg gibt. Gefällt mir gut die Strecke vorbei an der kleinen Marina und am Cardero’s Restaurant direkt am Yachthafen. In großem Bogen hinein in den Stanley Park!

Nun sind wir richtig am Wasser. Der Blick zurück über das Burrard Inlet auf die Skyline von Coal Harbour mit dem Kreuzfahrt-Terminal Canada Place, an dem auch gerade ein Mega-Dampfer der Holland-America-Line angelegt hat, ist einfach nur toll. Man merkt, dass man in die Schnittstelle kommt: Der Blick zurück auf die Metropole und um uns herum so langsam eigentlich schon mehr Natur als alles andere. Natürlich machen wir auch einen Stop an den berühmten Totems. Gefällt mir sehr gut! Für mich durchaus überraschend, denn genau dieser Platz gehörte zu meinen Tourguide-Zeiten sicher nicht zu meinen Lieblingsorten. Tourbusse konnten bis an den Rand der Totems vorfahren und, wenn man Pech hatte, dann rannten hunderte „Quickies“ (schnell raus aus dem Bus, schnell ein Foto mit jedem Totem und schnell wieder rein in den Bus) zwischen den Totems herum, fassten sie an, umarmten sie und hatten schon damals das Potenzial, einem den Besuch dieses Ortes komplett zu vermiesen. Aber diese Zeiten sind vorbei! Eine echt gute Landschaftsgestaltung sorgt nun völlig ohne Zäune dafür, dass man nicht mehr bis an die Totems heranfahren kann – nur mit dem Rad. Und man kann auch nicht mehr zwischen den Totems herumlaufen, da ein natürlich wirkendender kleiner Graben die Besucher von den in einem mit hohem Gras und Bäumen ringsherum würdig und passend wirkenden Umfeld stehenden Totems trennt. Genau in dem Abstand, den man auch braucht, um die Kunst der First Nations auf sich wirken zu lassen. Natürlich hat Adam gerade hier viel zu erzählen. Er schafft es, die Geschichten und Sagen auch für die Kinder spannend zu gestalten.

Weiter geht es auf der Seawall. Tolle Ausblicke natürlich hinüber nach Nord-Vancouver und die dahinterliegenden Berge. Bis dann die Lions Gate Bridge vor uns liegt. Über sie gibt es auch viel zu erzählen – zum Beispiel, dass sie ursprünglich von der Guinness-Familie finanziert wurde, die in Nord-Vancouver mithilfe dieser neuen Infrastruktur riesige Landstücke erschließen wollte. Auch hinter der an die berühmte Meerjungfrau angelehnte Statue „Girl in Wetsuit“ verbirgt sich eine amüsante Geschichte, die Guide Adam hervorragend zum besten gibt. Und das war's dann vorerst mit der Seawall ein. Denn jetzt biegen wir nach links ab – in den Regenwald!

Mitten in der Wildnis – so fühlt es sich plötzlich an. Alles um uns herum ist einfach nur grün. Regenwald. Kein Wind mehr, kaum ein Geräusch mehr. Außer die wenigen Vögel, die hier ihr Lied trällern. Wasser plätschert am Wegesrand – Schilder weisen darauf hin, dass hier bald wieder Lachse schwimmen sollen. Und wir sind ganz allein – mit diesen wunderschönen, riesigen Bäumen. Adam zeigt uns Bäume, die ineinander oder auf anderen Stämmen gewachsen sind. Bäume, die von den Ureinwohnern abgeschält wurden – aus der Rinde wurden die unterschiedlichsten Gebrauchsgegenstände hergestellt – und die inzwischen sich selbst wieder vollkommen mit Rinde ummantelt haben. Ein Zeichen dafür, wie nachhaltig die „Waldwirtschaft“ der Ureinwohner war. So gut wie nie haben sie einen Baum gefällt, sondern als komplette Stämme nur die verwendet, die von selbst gefallen sind, ob durch Sturm oder Altersschwäche. Und dann stehen wir plötzlich vor einem kleinen See, umrahmt von Wald und mit schilfigen Uferbereichen. Direkt vor uns eine Biberburg. Ja, die ist bewohnt, versichert uns Adam. Und die Biber sind höchst aktiv. Sie holzen ab, was das Zeug hält und hören nicht auf, die eigentlich vorhandenen Abflüsse des Sees zu verstopfen. Und das gefährdet wiederum das Lachsprojekt in den Bachläufen dieser Ausflüsse. Aber, die Biber waren vorher da. Also bleiben sie auch. Und der Mensch muss drumherum arbeiten. Adam zeigt uns, was die kleinen Nager allein in den letzten beiden Wochen geschafft haben: Ein riesiger Haufen Geäst und kleiner Bäume ist am Wegesrand aufgetürmt – alles am Ausfluss aus dem Wasser gefischt und zum Abtransport aufgeschichtet. Aber als wir einen genaueren Blick auf die Ausflüsse werfen, sind sie auch schon wieder halb zu mit frisch abgenagten Ästen. Für die Parkangestellten ist das wohl ein echter Kampf gegen Windmühlen. Einen Moment stehe ich noch da und blicke über den See im Wald. Es ist still, abgesehen von dem Schnattern einer Entenfamilie mit sieben wohl gerade geschlüpften Küken. Man könnte sich gut vorstellen, hier ein Zelt aufzuschlagen und abends am Lagerfeuer auf die Biber zu warten. Nur das Gehirn erinnert einen daran, dass wir eigentlich mitten in der Stadt sind. Dass wir gerade mal ein paar Kilometer mit dem Fahrrad gefahren sind.

Noch einmal tauchen wir ein in das tiefe Grün und bewundern riesige Douglasien, Rotzedern und Hemlock-Tannen. Dann hören wir wieder Menschen. Wanderer kommen uns entgegen. Eine Brücke führt uns über die einzige Straße, die mitten durch den Park geht und Downtown mit der Lions Gate Bridge und damit mit Nord-Vancouver verbindet. Und wenig später erreichen wir das parkeigene Freibad und die Strände am Westrand des Stanley Parks. Hier ist einiges los. Viele Vancouverites tummeln sich mit ihre Familien und Freunden am Strand und auf den davorliegenden Wiesen und spielen Ballspiele oder packen reich gefüllte Picknickkörbe aus. Klar, es ist Sonntag. Und dass sich dieser Ort für einen unkomplizierten Familienausflug eignet, liegt auf der Hand. Ob wir noch ein wenig Lust auf mehr Strand und Waterfront hätten, fragt Adam. Klar, denke ich, und wundere mich, dass diese Antwort sogar noch schneller von meinen Kindern kommt. Also fahren wir noch weiter über die Seawall. English Bay und noch ein Stück weiter am False Creek entlang, dann biegen wir nach links ab. Zurück in die Innenstadt. Zurück zum Robson Square und zurück zu Cycle City Tours. Was für ein cooler Trip mitten In Vancouver! Wir geben die Räder zurück, verabschieden uns von Adam und blicken auf die Uhr. Kurz nach zwölf. Wir haben noch ein gutes Stück des Tages vor uns. Aber wenn der Tag hier und jetzt zu Ende wäre, würde es ihm keiner von uns übelnehmen. Wir alle habe nach diesem tollen Trip das Gefühl, richtig was in Vancouver erlebt zu haben. Und ein bisschen Bewegung war auch dabei. Bin echt froh, dass wir uns dieser geführten Tour angeschlossen haben. Es ist doch etwas anderes, wenn man von einem Profi nochmal so viel Neues über die Stadt erfährt. Und es ist offensichtlich gerade auch aus Kinderaugen etwas anderes, wenn nicht Mama oder Papa, sondern ein echt sympathischer und so ansteckend positiver Guide die Stadt und den Park erklärt. Ich merke das an dem Halbsatz „Adam hat aber gesagt…“, den ich heute noch sehr oft hören werde. Also, alle scheinen schon jetzt zufrieden, obwohl ich weiß, dass zumindest die Kinder das niemals so direkt zugeben würden. Aber manchmal wird ein solches Erlebnis ja auch schlichtweg durch ein Lächeln und ein anerkennendes Nicken geadelt.

Das Wetter hat sich nach und nach gebessert. Jetzt scheint sogar die Sonne. Und nach der sportlichen Ertüchtigung macht sich allseits ein leichtes Hungergefühl breit. Wir schlendern die Hornby Street hinab in Richtung Waterfront und wollen uns eigentlich an einem der vielen exotischen Food Trucks verpflegen. Aber es ist Sonntag und da machen die meisten Food Trucks erst gar nicht auf. Klar, logisch – mit der in Downtown an Werktagen arbeitenden Bevölkerung fehlt am Sonntag der Großteil der Kundschaft. Naja, dann halt eine Kleinigkeit am Wasser. Wir entscheiden uns für Mahony & Sons gegenüber von Canada Place. Irish Pub geht immer – für Chicken Wings und einen guten Burger allemal. Und Live-Musik gibt’s auch noch. Man könnte leicht versacken, aber so viel Zeit haben wir natürlich nicht für die Mittagspause. Denn gegenüber am Canada Place wartet schon das nächste Erlebnis auf uns: „Fly over Canada“ – eine Art 4D-Kinoerlebnis, das einen Schnellflug über Kanada und seine Provinzen verspricht. Von Ost nach West. Action garantiert...

Ich gebe zu, ich bin schon mehrfach zum „Fly over Canada“ eingeladen worden und habe es bisher nie gemacht. Wozu auch, habe ich immer gedacht. Da erlebe ich Kanada doch lieber in echt. Ja stimmt, aber diesmal sind wir mit den Kindern hier und da dachte ich, dass genau dies für die Playstation-verwöhnten Virtual-Reality-Junkies – das beschreibt zumindest meinen Sohn ganz gut – ein Highlight sein könnte. Also, die letzten Burgerbissen hinuntergeschlungen und rüber zum Canada Place. Vorbei an dem Kreuzer der Holland-America-Line. Mein Gott, das ist ja eine schwimmende Stadt – unfassbar! Und ganz hinten am Kai sehen wir dann das „Fly over Canada“-Schild. Über eine Treppe geht es hinauf und dann – eine Warteschlange. Oha, genau mein Ding. Aber wir haben Glück: Wir haben eine Zeit vorreserviert und können an der Schlange vorbeigehen. Die Kinder strahlen und fühlen sich wie VIPs. Hinein in eine Art „Vorabvorstellungsraum". Man steht und sieht um sich herum in einer 360-Grad-Präsentation allerlei charakteristische Kanada-Bilder und-Filmsequenzen. Von den Kindern, die auf einem zugefrorenen See Eishockey spielen bis zu den Ranchern und Pferden der Prärie. Ganz nett gemacht, haut mich aber nicht wirklich vom Hocker. Erst später realisiere ich, dass dies eigentlich eine Art logistischer Wartebereich ist, um praktisch die gesamte Vorführraumladung an Zuschauern an einer Stelle versammelt zu haben, damit sie im Anschluss an diese Vorpräsentation gesammelt und schnell – das ganze spannungsfördernd in einen „Start-Countdown“ verpackt – in den Hauptvorstellungsraum wechseln kann, wo jetzt gerade noch der Schluss der letzten Vorstellung läuft. So gesehen dann natürlich echt nicht schlecht gemacht – beeindruckend effizient. Man merkt, dass hier dann auch öfter mal ganze Kreuzfahrtschiffladungen durchgeschleust werden. Aber jetzt sind wir dran. Hinein in den Vortragsraum, hinein in die Pilotensitze und anschnallen. Ja, anschnallen! Für Kinder gibt es sogar eine besondere Sicherheitsvorrichtung. Und dann wird es dunkel! Plötzlich fährt der Boden unter uns weg. Unsere Sitzreihe kippt leicht nach vorn – die Beine hängen in der Luft. Und dann beginnt das Dunkel um einen herum sich zu bewegen – man fliegt! Der Tag beginnt genau wie der Flug selbst in Zeitraffer. Es wird hell und man fliegt durch die Morgennebelschleier – man spürt die Feuchtigkeit im Gesicht! – über den Osten Kanadas. Von der endlosen Seenlandschaft Ontarios und Québecs geht es über schäumende Flüsse – mit Sprühnebel im Gesicht – in die Prärien nach Manitoba und Saskatchewan zu den über endlose Weiten galoppierenden Cowboys. Dann hinein in die majestätischen Alberta-Rockies mit grandiosen Flügen über Berggipfel und durch atemberaubende Canyons. Weiter durch das liebliche Okanagan Valley in British Columbia bis hin zum Canada Place in Vancouver – ja, hier sitzen wir ja eigentlich gerade in einem Vortragsraum – und weiter über den Pazifik und die Gulf Islands bis nach Vancouver Island, an dessen wunderschönen Stränden der Pazifik in der Abendsonne anbrandet. Und dann zu Abschluss die Polarlichter – das Lichtspektakel am Himmel wirkt in dieser Rundumsicht natürlich besonders. Und dann ist der Flug vorbei. Wir müssen aussteigen – hinter uns wartet schon die nächste Gruppe. „Fly over Canada“ – für die Kinder habe ich es gebucht und nun hat es mir überraschenderweise selbst gefallen. Kurzweilig, allerdings auch weil es wirklich kurz war. Der Flug ist toll, aber durch die Kürze der eigentlichen Hauptvorstellung (leider habe ich die Zeit nicht gestoppt – denke so 10-15 Minuten) wackelt in meinen Augen das Preis-Leistungs-Verhältnis etwas. Aber es hat uns allen Spaß gemacht – also alles gut, Schwamm drüber.

Gut gelaunt wandern wir zurück zum Hotel. Denkste! Jetzt will keiner mehr laufen. Auch ok. Schnell ein Taxi herbeigewunken und zurück zum Rosedale on Robson Hotel. Die Kosten bewegen sich hier in der Innenstadt immer zwischen 5 und 10 Dollar. Das kann man verkraften. Auch wenn man wie wir zwei Taxen braucht, da sich der weibliche Teil der Familie nun für ein paar Stündchen zum Shoppen in der Pacific Center Mall, der Granville Street und der Robson Street absetzen will. Auch das gehört zu Vancouver… Felix und ich gehen kurz auf’s Zimmer, entscheiden uns dann aber doch spontan, noch das schöne Wetter draußen zu genießen. An der nur wenige Meter vom Hoteleingang entfernten Eisdiele versorgen wir uns mit Vanille, Maple Walnut und Cookie Crumble und setzen uns gegenüber auf der anderen Seite der Robson Street auf die Treppenstufen der Bibliothek. Wir schlecken unser Eis, betrachten das bunte Treiben um uns herum und genießen die Sonnenstrahlen – auch das gehört zu Vancouver.

Am späten Nachmittag schlendern wir dann wieder gemeinsam durch Yaletown, hinab zum False Creek, und genießen einmal mehr das „Bötchen Taxi“ über die Bucht. „Boat and Dine“ – so heißt das Erlebnis, das heute für uns auf Granville Island starten soll. Die Idee: Mit dem Zodiac hinaus aus dem False Creek, vorbei an English Bay, Stanley Park, Lions Gate Bridge und West Vancouver – und dann hinüber nach Bowen Island, um dort in einer kleinen Bucht in einem Marina-Pub zu dinieren. Das Programm als solches haben wir als „Fly & Dine“ in Kombination mit Wasserflugzeug-Flügen bereits sehr erfolgreich in unserem Programm etabliert, aber ich wollte unbedingt einmal diese neue Variante ausprobieren. Zum einen, weil wir schon länger nach einer Möglichkeit gesucht haben, dieses Dinner-Erlebnis auch Kunden zugänglich zu machen, die nicht so gern in ein Wasserflugzeug steigen wollen. Zum anderen erhoffe ich mir bei dieser Variante einen vielleicht sogar größeren Erlebniswert, da der Weg länger ist und somit das auf dem Weg zu Erlebende naturgemäß einen größeren Stellenwert einnehmen sollte. Und dann wäre der erheblich günstigere Preis natürlich eine allseits willkommene Begleiterscheinung...

Am Steg auf Granville Island werden wir sehr freundlich begrüßt und bekommen je nach Wunsch knallig rote Überlebensanzüge oder handlichere Schwimmwesten gereicht. Ich nehme die Weste. Ich weiß, dass der Anzug besser ist – und vielleicht werde ich es im Fahrtwind auf der Rückfahrt bereuen – aber im Moment ist es mir einfach zu heiß für die volle Montur. Ja, und dann heißt es Platz nehmen im Zodiac! Kurzes Sicherheits-Briefing – und los geht’s! Ok, zunächst im Tucker-Tempo, da man im False Creek natürlich nicht schneller fahren darf. Macht aber nichts, denn es ist ein Genuss, die vorbeigleitende Burrard Bridge, den langen Strand der English Bay und den sich anschließenden Stanley Park auf sich wirken zu lassen. Das alles vor der Kulisse der Downtown-Skyline, die wiederum majestätisch von den schneebedeckten Gipfeln der Coast Mountains überragt wird. Hab’ ich’s schon gesagt? Vancouver ist einfach einzigartig!

Wir nehmen Fahrt auf, das Wasser spritzt um uns herum, die Kinder juchzen. Nächster Stopp Lions Gate Bridge. Was für eine coole Perspektive, der Blick zurück auf die monumentale Brücke und den tiefgrünen Stanley Park. Noch einmal hören wir die Geschichte der Guinness Familie, die die Brücke erbaut hat. Dann geht’s weiter nach West Vancouver. Und ich bin überrascht: es bleibt spannend. Allein das Düsen mit dem Zodiac macht ja auch wirklich Spaß. Und wenn man dann einen Blick auf die traumhaften Privatstrände von West-Vancouver werfen kann und erfährt, dass das eine Anwesen zum Beispiel Will Smith gehört und das andere Robert de Niro – also, es ist wirklich kurzweilig. Und das Wetter spielt mit – bislang eine echt tolle Abendveranstaltung!

Vorbei geht es an der Landspitze mit dem Leuchtturm. Und eigentlich, auch wenn es sich für alle, die so etwas schon einmal gemacht haben, ein bisschen so anfühlt, als würde man mit dem Zodiac zur Tierbeobachtung rausfahren, hatten wir ja gar keine Tiere erwartet. Da sind die Robbenfelsen auf unserem Weg natürlich ein regelrechter Bonus. Einige Seehunde räkeln sich in der Abendsonne, andere schwimmen um die kleinen Felseninseln herum und tauchen immer wieder vor uns auf, um uns neugierig anzugucken. Nicht schlecht für so eine Fahrt zum Abendessen!

Dann aber hinüber nach Bowen Island und hinein in die kleine Bucht, in der auch die Bowen-Island-Fähre von BC Ferries anlandet. An deren Landerampe geht es aber vorbei in die kleine Marina. Idyllisch! So einige kleinere Yachten sind hier vertäut, aber kaum eine ist unbewohnt. Überall sitzen Leute zusammen an Deck oder auf dem Steg und grillen und genießen die Abendsonne. Unser Guide steuert zielsicher unseren Anlegeplatz an und es heißt aussteigen. Raus aus den Überlebensanzügen und über den Steg an Land. Und das „Doc Morgan’s“, unser Ziel-Pub, ist eine echt nette Location. Irgendwie gemütlich verwinkelt, irgendwie holzig, irgendwie typisch Pazifikküste – vielleicht mit einem Hauch Piratenbucht? Unzählige Kanadagänse grasen auf den Rasenflächen vor der Anlage. Das ist jetzt im Mai natürlich besonders spektakulär wegen der vielen Jungvögel.

Jetzt aber hinein zum Dinner. „Doc Morgan’s“ hält von innen, was es von außen verspricht! Echt gemütlich! Trotzdem hätte ich bei dem schönen Wetter lieber draußen auf dem großen Deck gesessen, doch leider ist drinnen für uns ein Tisch reserviert. Naja, was soll’s. Das Essen hatten wir schon von Granville Island aus vorbestellt – das geht jetzt hier sehr fix. Macht ja auch Sinn, schließlich soll das gesamte Programm nur etwa 3 Stunden dauern, was uns ja auch durchaus wichtig ist. Es muss ja familientauglich bleiben. Das ist also alles super. Was nicht so toll ist, ist das Essen selbst. Also, alles eigentlich gut und in Ordnung, aber halt bloß reines Pub-Food. Gut, wir haben auch keine kulinarische Offenbarung erwartet. Und letztlich kommt es ja auch wirklich auf das Gesamterlebnis an. Man sollte das nur wissen: Es ist ein ordentliches Pub-Dinner – mehr aber auch nicht. Eine stimmige Komponente im Gesamtbild, aber halt nur eine von mehreren. Also, rein mit dem Burger, das Bier obendrauf und die Welt ist in Ordnung.

Die Bucht liegt schon teilweise im Schatten, als wir wieder in den Zodiac klettern. Aber nur ein paar Meter hinaus auf den Pazifik und wir sind schon wieder voll drin in den warmen letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Irgendwie toll jetzt in dieser wunderschönen Abendstimmung noch mal auf das Meer hinauszufahren und der Stadt entgegenzurauschen. Vor uns quert eine Fähre von BC-Ferries. Komischerweise hält unser junger Skipper direkt auf sie zu. Was hat er vor? Die Kinder ahnen es schon vor mir und reißen in Vorfreude die Arme hoch: Kurz vor der Fähre dreht er bei, um ein Stück neben dem Schiff herzufahren und es sogar zu überholen. Und als ich schon denke: „Jetzt will er wirklich ganz knapp vor dem Schiffsbug queren!“, da kommt dann der „Donut“ nach rechts – der quasi 270°-Abdreher in die entgegengesetzte Richtung, der uns nun hinter dem Fährschiff queren lässt. Und klar, jetzt hüpfen wir natürlich herrlich rasant über die Heckwelle der Fähre. Dafür sind diese Zodiacs ja gemacht – und alle Bootsinsassen kreischen vor Vergnügen. So laut, dass unser Skipper zur großen Freude vor allem der Kinder noch ein paar Extrarunden dreht.

Die Stadt lässt sich in der Ferne bereits erahnen. Unterwegs erspähen wir in den Wipfeln der Küstenbäume einige Weißkopfseeadler, die scheinbar auch die letzten Sonnenstrahlen genießen. Einer sitzt sogar mitten auf dem Leuchtturm, an dem wir auf der Hinfahrt schon vorbeigekommen sind. Die Sonne geht unter und für einen Moment wird der Motor gestoppt. Einfach, um diesen Moment zu genießen. Um ihn richtig wirken zu lassen. Und das funktioniert. Sonnenuntergänge sind immer toll, aber auf dem Wasser ist es einfach etwas Besonderes! Ok, back to the city! Vorbei an den mächtigen Frachtschiffen, die vor dem Inlet von False Creek vor Anker liegen. Besatzungsmitglieder winken uns zu. Viele bleiben wohl die ganze Zeit an Bord, da sie gar keine ausreichenden Papiere haben, um den Fuß auf kanadischen Boden zu setzen. Und da scheinen sie sich über Abwechslung zu freuen. Alle sind wir sehr beeindruckt über die tatsächliche Höhe eines solchen Frachtschiffes, wenn es nicht beladen ist. Unser Skipper bringt uns mit dem Zodiac ganz dicht ran. Wie ein Hochhaus ragt die Stahlwand steil vor uns empor. Man hat das Gefühl, das Schiff fast berühren zu können. Komme mir ein bisschen vor wie ein Greenpeace- oder Sea-Shepherd-Aktivist…

Dann liegt Vancouver im reflektierenden Abendrot in seiner vollen Pracht vor uns. Das Auge kann die Skyline nun aus der Distanz richtig einordnen, denn man sieht im Hintergrund nicht nur die Schneegipfel des Küstengebirges, sondern auch die dichtbewaldeten Berghänge. „Vancouver. Spectacular by Nature!“, fällt mir der alte Werbe-Slogan von Vancouver ein. Könnte es sein, dass der kreative Vater dieser Zeile genau diese Perspektive genoss, als ihm seine Worte einfielen? Langsam tuckern wir in den False Creek zurück, in dem das Abendleben von Vancouver bereits Einzug gehalten hat. Der Strand der English Bay ist belagert, alle Restaurants haben die Patios geöffnet und man sieht nirgendwo einen freien Tisch. Wir gleiten durch eine ausgelassene Abendstimmung und spüren diese auch noch an allen Ecken, als wir wieder aus dem Zodiac ausgestiegen sind und mit den False Creek Ferries zurück zum Yaletown-Anleger schippern. Vancouver is awesome!

Alle sind ziemlich happy, auch wenn schon wieder diskutiert wird, ob wir die paar Blocks an diesem schönen Abend noch laufen oder mit dem Taxi fahren. Man kann sich eh denken, wie diese Diskussion ausgeht, wenn der Vater für’s Laufen ist und Mutter und Kinder für’s Taxi. Naja, so ist das halt. Und auch verständlich: die viele frische Luft, das Essen und die einsetzende Dunkelheit – ok, schnell zurück in unsere Suite im Rosedale on Robson. Aber ein Gedanke schießt mir noch durch den Kopf: Wären wir jetzt ohne Kinder hier, dann würden wir sicher noch durch das bunte Yaletown laufen, wo die vielen alten Warehouses in coole Pubs, Bars und Restaurants verwandelt wurden. Aber so ist es auch ok. Es war ein langer Tag mit vielen tollen Erlebnissen!



(Hier geht’s weiter mit Teil 2 des Reiseberichts!)
96 Stunden in Vancouver