Die besondere Reise
Familien-Spätsommer in Nova Scotia

Kanadas Ostküste. Zwei Erwachsene, zwei Kinder und die Frage nach dem richtigen Fahrzeug für dieses Unterfangen. Wohnmobil oder Mietwagen? Wir können uns nicht entscheiden. Und machen einfach beides. Eine großartige Entscheidung.
Text und Fotos: Daniela Reichert


Drei Wochen Nova Scotia. Die Atlantikprovinz erleben und herausfinden, warum sie "Canada's Ocean Playground" genannt wird. Denn ja, auch wir haben uns eingelesen und wollen sie nun entdecken: wilde Strände und Steilküsten, idyllische Seen und köstliche Meeresfrüchte. Wir, das sind Thomas (Reiseberater bei SK), Daniela (Mediengestalterin bei SK) und unsere beiden Kinder James (4) und Liah (2). Nova Scotia ist einer der wenigen weißen Flecken auf unserer persönlichen Kanadakarte und so steigt die Vorfreude mit jedem Tag. Besonders die Kinder fiebern dem Urlaub entgegen. Endlich wieder Kanada!

Ende August. Der Tag der Abreise. Die Kinder sitzen auf ihren gepackten Koffern. Wann geht es endlich los? Gleich, nur noch den Schlüssel und den Kater bei den Nachbarn abgeben. OK, und dann noch der Schnelldurchlauf der ungefähr eintausend Fragen, die mir ganz plötzlich noch einfallen – wie immer vor einer längeren Reise. Check, Check und Doppelcheck. Alles in Ordnung, los geht's. Ab auf die Autobahn in Richtung Frankfurt. Ich atme tief durch. Jetzt beginnt der Urlaub für mich!

Auf nach Halifax! Entspannter Flug mit Condor, guter Service und nur sieben Stunden in der Luft – perfekt für Liah und James. Als wir kanadischen Boden berühren, ist es bereits später Abend. Sehr gut, dann "dürfen" wir gleich schon schlafen gehen. Untergebracht sind wir heute im ALT Hotel. Gefällt uns gut: Das Hotel ist in den Airport integriert, man kann direkt hinlaufen. Und im Zimmer ist alles perfekt: achter Stock, riesige Panoramascheiben und ein toller Blick auf das Rollfeld. Kinder und Ehemann Thomas sind begeistert. Noch lange beobachten sie die Maschinen, bevor sie dann aber erschöpft ins Bett fallen. Genau wie ich.

Ach ja, Kinder und Jetlag. Gefühlt ist es Mitternacht, als uns die Quälgeister wecken. Naja, immerhin schon fünf Uhr morgens. Eine Stunde später sind wir dann alle auf und scharren mit den Hufen. Ob man schon frühstücken kann? Klar, das ist das Gute am Airport-Hotel. Auch wenn wir die Ersten sind an diesem Morgen. Allein an einem üppigen Frühstücks-Buffet – das lohnt sich! Schon fliegen die ersten Pancakes auf die Teller und werden in Ahornsirup ertränkt. Es ist still um uns herum, aber die Stimmung ist prächtig.

Pünktlich um acht holt uns das Fraserway-Shuttle ab. Alles geht reibungslos und fliegt geradezu an mir vorbei. Tatsächlich nur eine gute Stunde später cruisen wir mit mehr als acht Metern Wohnmobil auf dem Highway. Die Kinder finden's riesig. Stolz sitzen sie auf ihren Kindersitzen und schauen hinaus. "Das Wohnmobil ist richtig cool", ist das Fazit von James. Und damit ist alles gesagt.
Über Truro fahren wir nach Canso, um direkt zwei Tage stehen zu bleiben. Um anzukommen, ein wenig zu relaxen, zu wandern und zu schwimmen. Die Seen haben schließlich 26 Grad! So geht dieser Plan schon einmal auf: zwei volle Genießertage mit durchweg spätsommerlichem Wetter. Sonne satt, leichter Wind, toller Start!


Dann aber weiter nach Nordosten in Richtung Sydney. Die Strecke avanciert zu meinen persönlichen Landschafts-Highlights in Nova Scotia. Einfach nur traumhaft! Einige Blicke auf den Bras d'Or Lake erschlagen mich fast. Hätte nie gedacht, dass es hier so schön ist! Noch vor Louisbourg steuern wir den Mira River Provincial Park Campground an. Und sind erstaunt: Die Stellplätze sind gerade einmal zu einem Fünftel gefüllt. Und die Lage ist klasse: direkt am Fluss und echt gut ausgestattet. Sogar mit Duschen, Wasser, Stromanschluss und der Möglichkeit zu waschen – nicht ganz unerheblich, wenn man mit kleinen Kindern unterwegs ist. Nein, wirklich, der Platz gefällt uns. Ein toller Ausgangspunkt für die nächsten Abenteuer.

Fortress Louisbourg – so heißt eines dieser Abenteuer. Durch tiefgrüne Wälder – ja, tatsächlich, wir sehen wirklich noch keine Anzeichen von den so typischen Verfärbungen des Indian Summer – erreichen wir die berühmte Festungsanlage. Viele werden sie kennen und ich möchte hier keine Reiseführertexte bringen. Nur so viel: Es lohnt sich! Gerade aus der Familienperspektive. So viel Abwechslung durch die unterschiedlichsten Attraktionen. Und in tollen, historischen Kostümen all die kommunikativen Darsteller, die trotz aller Offenheit im­mer in ihrer Rolle bleiben. Geschichte zum Anfassen – das können die Kanadier einfach. Das lässt Kinderaugen größer werden. Genau wie der große Burger, durch den der Tag perfekt wird. Satt und müde fallen wir in unsere Betten.

Ok, heute früh müssen wir nochmal schnell nach Sydney. James hatte auf der Durchfahrt gestern einen Tim Hortons erspäht – endlich Timbits! Eine große Schachtel voll mit dem Donutgebäck mit Suchtpotenzial wird für jeden zugänglich im Durchgang des Mobils platziert und alle sind zufrieden. Gut so, denn eine lange Etappe liegt vor uns. Cape Breton – der Cabot Trail! Große Erwartungen, die nicht immer hilfreich sind. Fast sind wir zunächst sogar ein bisschen enttäuscht. Irgendwie hatten wir uns die Landschaft viel gewaltiger vorgestellt. Auch die Straßenqualität macht uns hier und da zu schaffen. Unser großes Fraserway Wohnmobil schaukelt teilweise ganz ordentlich durch die vielen Unebenheiten. "Ob die Teller noch heil sind", fragt James. Gute Frage. Aber wir vergessen, dies weiter zu erörtern, denn die Landschaft draußen schlägt zu. Endlich!

Je näher wir dem Cape Breton Highlands National Park kommen, desto spektakulärer wird die Kulisse. Wir erklimmen Höhenmeter um Höhenmeter – und da ist er, der Parkeingang. Wir fahren rein und sind von der Aussicht überwältigt. Sattgrüne Wälder vor dem Hintergrund des aufgewühlten Atlantiks. Eine so herrlich raue Küstenlinie, dass sie einen regelrecht anschreit: "Hier ist die echte Wildnis. Komm und entdecke mich!" Wir steigen staunend aus und entschließen uns zu einer spontanen Wanderung. Die Kinder ziehen super mit und so wird es eine tolle, ganz ungeplante Pause.

Einen geeigneten Campingplatz können wir in dieser Idyl­le allerdings nicht finden. Nicht, weil es keinen gäbe. Nein, alles voll. Natürlich ist gerade auch mal wieder Labour-Day-Weekend, das erste lange Wochenende im September. Und natürlich hätten wir da mal wieder eher dran denken sollen. Ein regelrechter Anfängerfehler. Und das obwohl wir doch schon mehrere Jahre in Kanada gelebt haben und es wirklich besser wissen müssten. Wir fahren weiter nach Cheticamp und ergattern auf dem Plage St. Pierre Campground den letzten Stell­platz. Der Platz ist zweckmäßig, nicht wirklich etwas Besonderes. Aber wenn das Campfeuer lodert und eine herrlich duftende Fischsuppe darauf köchelt, ist ohnehin jeder Stellplatz ein guter!

Auf der Weiterfahrt zum Caribou Provincial Park besuchen wir die Glenora Destillerie in Glenville. Die Führung durch Kanadas einzige Brennerei für Single Malt Whisky gefällt uns. Nicht zu lang, sehr informativ und gut mit Kindern zu machen. Dann aber schnell weiter – über Inverness geht es nach Pictou. Erst auf dem Campingplatz merken wir, wie heiß es ist. Fast 30 Grad. Die Campsites liegen auf einer kleinen Anhöhe und man blickt auf die mächtige Northumberland Strait. Traumhaft! Das Meer ist heute gar nicht stürmisch. Im Gegenteil: Nur ganz wenige Wellen sind zu sehen. Da fällt der Sandstrand den Kindern natürlich sofort ins Auge. In kürzester Zeit ziehen wir mit Eimern, Schaufeln und Förmchen los. Die Kinder voran. Und der Strand ist toll. Ganz feiner Sand. James und Liah haben im Wasser ihren Spaß – und Papa Thomas erst. Was für ein herrlicher Sommertag am Meer! Der Strandspaziergang und das abendliche Lagerfeuer runden ihn ab. Und die selbstgefangene Makrele zum Dinner! Ja, Thomas hatte Erfolg – sehr lecker!

Was ein Temperaturabfall! Von den 30 Grad merken wir am nächsten Morgen kein bisschen mehr. Es sind vielleicht gerade einmal 18 Grad – wenn überhaupt. Über der Strait liegt eine dicke Nebelschicht. Der Himmel grau-blau. Die ersten, dicken Tropfen fallen nach dem Frühstück. OK, mit buddeln und baden wird es heute nichts mehr – wir fahren weiter. Bei aller Enttäuschung ist ja gerade diese Flexibilität auch wieder das Gute an einer Wohnmobilreise. Auf nach Truro zum Einkaufsstopp im riesigen Atlantic Superstore. Thomas hat beim Familienrat dicke, saftige Steaks beantragt und die Jagd gestaltet sich erfolgreich.

An der Bay of Fundy entlang fahren wir weiter in Richtung Blomidon Provincial Park. Das Timing passt: Die Wolkendecke ist aufgerissen und die Sonne wärmt die Luft wieder auf. "Closed". Na, super. Der Park ist seit dem langen Wochenende geschlossen. Weiter geht die Fahrt, gezwungenermaßen. Hoffentlich nicht mehr so lange – wir wollen unsere Steaks! Und dann passiert der kanadische Klassiker: Gerade wollen wir losfahren, da spricht uns ein Kanadier an, dem wohl unsere ratlosen Blicke vor dem verschlossenen Campgroundtor aufgefallen waren. Kurzerhand fährt er uns ein paar Minuten vor und führt uns zu einem Campground, der klein und abgelegen ist, einfach gemütlich. So mögen wir es. Und dann schmecken auch die Steaks auf dem Feuer!

Der nächste Tag ist mal wieder ein Ausflugstag. Erst geht es nach Wolfville, das mir sehr gefällt. Eine entzückende kleine Ortschaft mit vielen Pubs und Cafés. Auf dem Rückweg nochmal zum Blomidon Provincial Park. Hier im Minas Basin wird der weltgrößte Tidenhub gemessen – etwa 15 Meter. Ein gigantisches Schauspiel der Natur. Es ist Ebbe und wir gehen auf dem Meeresgrund spazieren. Ein Eldorado für Muschelsammler – also allemal für Kinder! Zurück am Campingplatz gönnen wir uns heute frischen Lachs vom Campfeuer. Schließlich ist heute der letzte Tag unserer Wohnmobiltour. Nach rund 1600 erlebnisreichen Kilometern werden wir morgen unser liebgewonnenes Appartement auf vier Rädern an der Fraserway Station in Bedford wieder abgeben.

Raus aus dem Wohnmobil, rein in den Ford Expedition! Von der Mietwagenstation fahren wir in den Süden der Provinz. Zum Johns Back Lake, westlich von Shelburne. Noch eine gute halbe Stunde über Schotterpisten, vorbei an der irritiert dreinblickenden Rehmutter und ihren Jungen. Dann ist sie erreicht, unsere Unterkunft für die nächsten Tage: ein großes Vollblockhaus mitten im Nirgendwo. Mit eigenen Kanus am Ufer und ohne direkte Nachbarn. Vor uns nur der glasklare, warme See. Und das Haus ist tatsächlich komplett aus Baumstämmen gefertigt, ein echtes handwerkliches Meisterstück. Der "Wow"-Effekt kommt direkt nach dem Aussteigen – unsere Erwartungen werden schlichtweg übertroffen. Für die nächsten Tage ein Wildnis-Himmel für Familien! Thomas und James angeln vom Steg aus. Erfolgreich und die Fische aus dem Johns Back Lake sind echt lecker. Mit den Kanus paddeln wir fast jeden Tag über den See. Für Liah etwas zu "wackelig", aber trotzdem schön. Das Wasser ist angenehm warm, rund 23 Grad.

Im Untergeschoss des Hauses gibt es einen großzügigen Hot Tub, der auf die Kinder eine magische Anziehungskraft ausübt. Wir nutzen ihn oft in Kombination mit der herrlich nach Holz duftenden Rotzeder-Sauna. Wohnzimmer und Küchenbereich gehen ineinander über, im Zentrum der große, wunderschön gemauerte Kamin. Dazu je drei Schlaf- und Badezimmer und die umlaufende Veranda, die sich hinter dem Haus zu einer großen Terrasse mit Seeblick verbreitert. Ein Traum halt. Der Kontrast zum ersten Teil unserer Reise ist enorm. Mit dem Wohnmobil haben wir etliche Kilometer zurückgelegt und viel gesehen. Hier entspannen wir. Den Kindern gefällt beides gleich gut. Das Leben im Haus am See ist spannender, das Wohnmobil ist cooler. Mein Gott, die Kinder sind zufrieden – ist das hier etwa Urlaub?

Natürlich bleiben wir nicht nur am See. Denn fehlen darf hier im Süden natürlich nicht der Ausflug nach Lunenburg. Ich genieße das hübsche Hafenörtchen mit seiner markanten Holzarchitektur. James und Liah finden die vielen bunten Häuser klasse. Ein großes Eis im Café am Hafenbecken, das auch für Kinder enorm spannende Meeresmuseum und dann frischer Hummer in der „Old Fish Factory“ – man wundert sich, wie schnell und doch genüsslich der Tag an einem vorbeitreiben kann.

Und dann finden wir ihn auf einem unserer Ausflüge tatsächlich, den perfekten Strand. Der Sand ganz fein und weiß. Fühlt sich an wie Samt. Bei Port Mouton auf der Lighthouse Route haben wir ihn entdeckt. Zufällig. Wir sind einfach den Hinweisschildern „Sea & Sand“ gefolgt und am paradiesischen „Carters Beach“ gelandet. Und das Wetter spielt mit. Es sind etwa 27 Grad. Nur das Meer hat vielleicht gerade einmal 18 Grad. Den Kindern ist es ja sowieso egal. Ab in die Neoprenanzüge und los geht der Spaß! Viel Sonne für Mitte September!

Das Problem ist, dass ab jetzt keine langen Ausflüge mehr möglich sind. Von den Kindern hören wir nur noch das Kommando „Strand!“ oder die fast vorwurfsvolle Frage „Wo ist denn der Sand?“ Und somit steht unser Strandtag am Carters Beach exemplarisch für die letzten Tage unseres Urlaubs. Nie brauchen wir weit zu fahren – immer finden wir neue, herrliche Strände. Ob am Crescent Beach bei der reizvollen Ortschaft Lockeporte, wo man toll frischen Fisch kaufen kann, oder auf der Insel Cape Sable Island. Gerade bei den Inselstränden wie dem Hawk Point?Beach, dem südlichsten Zipfel Nova Scotias, sind wir immer wieder tief beeindruckt von dem Kontrast zwischen schneeweißem, feinem Sandstrand und dem türkisfarbenen, fast karibisch anmutenden Ozean. Klar ist der kälter, dafür aber auch voller Leben!

Und zum Abschluss Peggy’s Cove. Das schmucke, kleine und natürlich schon etwas touristischer ausgelegte Örtchen an der Ostküste der St. Margarets Bay ist mit seinem imposanten Leuchtturm ein Highlight der Lighthouse Route, auf der wir ja nun schon seit Tagen wandeln. Malerisch liegt er auf einem gewaltigen Felsbrocken, vor den die Wellen des offenen Atlantiks peitschen. Man hört es nur so rauschen. Toll! Wir sind froh, dass wir dieses Erlebnis noch mit ins Gepäck nehmen können, so kurz vor unserer Rückkehr nach Halifax.

Aber war das tatsächlich schon der Abschluss? Nein, natürlich nicht! Schließlich gibt es kurz vor dem Flughafen noch einen Tim Hortons. Ein letztes Mal Timbits für alle! „Tschüss Kanada! Wir kommen wieder.“ Klingt zum Abschluss fast ein bisschen kitschig. Wenn es nicht aus dem Mund meines vierjährigen Sohnes gekommen wäre, kurz bevor er im Flugzeug zusammen mit seiner Schwester in den Tiefschlaf bis zur Landung in Frankfurt fällt.

Unser Urlaub ist zu Ende. Schön war’s. Dass James seinen ersten Fisch in Kanada gefangen hat, weiß mittlerweile der ganze Kindergarten. Nova Scotia, „Canadas Ocean Playground“, hat seinem Beinamen alle Ehre gemacht. Ein Ort, an dem man noch viele Landschafts- und Erlebnis-Juwelen entdecken kann. Und das, ohne viel fahren zu müssen. Wir sind immer noch beeindruckt.