1867 wurde Kanada gegründet, 1967 kam mein Mann zur Welt. Zwei gute Gründe, um zu feiern. Wir haben uns gedacht, die beiden Anlässe zu verbinden und Thommys 50. Geburtstag mit einer Reise ins 150-jährige Kanada, unserem Traumreiseziel, zu würdigen.

Westkanada intensiv

Vier Wochen Auszeit wollten wir uns gönnen. Diesmal in den Sommerferien, denn unsere schulpflichtigen Kinder waren mit von der Partie. Herrlich! Ein wahr gewordener Traum, der ein beträchtliches Loch in unser Portemonnaie gerissen, sich aber hundertprozentig gelohnt hat.

Aufgrund des 150-jährigen Geburtstages war in Kanada der Zugang zu allen Nationalparks frei. Gut für uns, aber leider hat der freie Zugang sowohl die Kanadier selbst, die im August ebenfalls Ferien hatten, als auch viele ausländische Touristen in die Parks gelockt. Wir haben aus diesem Grund einige Campgrounds vorreserviert und Ausflüge über SK Touristik vorbuchen lassen, die uns dabei prima beraten haben. Für uns äußerst ungewöhnlich, über die Wegstrecke nicht spontan zu entscheiden, sondern Vieles vorzubestimmen. Wie sich herausstellen sollte aber unbedingt notwendig! Das neben der Auslastung der Parks weitaus größere Problem: Schon im Juli gab es allein in der Provinz British Columbia, unserem Reisegebiet, etwa 240 Waldbrände, in vielen Gebieten in BC wurde ein "Fire Ban", ein Lagerfeuerverbot, ausgesprochen. Camping ohne Lagerfeuer - auch unvorstellbar. Aber wir hatten uns so auf die Reise gefreut und nahmen uns vor, es als Abenteuer zu sehen. Nicht loszufahren war keine Option. Wir starteten am 29. Juli. Unser vierter gemeinsamer Trip nach Kanada und die mittlerweile dritte Reise mit den Kindern. Wir, das sind Thommy, mein Mann, unsere Jungs Yannick (11) und Noah (9), und ich (Alex).
Die Anreise nach Vancouver verlief problemlos. Nach dem Abendessen sanken wir im Hotelzimmer in die super gemütlichen Betten und schliefen bis zum nächsten Morgen - um 8.45 Uhr wurden wir abgeholt. Bei Fraserway verlief alles schnell und unkompliziert, alle waren wie immer freundlich und hilfsbereit. Wir kennen "unseren" Truck Camper mit Slide Out schon in- und auswendig und ich musste nicht lange überlegen, wie ich unser Gepäck verstaue. In Tsawassen nahmen wir die letzte Fähre nach Vancouver Island. Die Überfahrt war schön. Bei uns kam eine wohlig bekannte Kanadastimmung auf. Auf Vancouver Island angekommen fuhren wir nach Vi­­­­­­­­c­toria und parkten bei den Eltern unserer Freunde Marcia und Dennis. Die erste Nacht im Wohnmobil war sehr gemütlich, wir fühlten uns direkt wieder zu Hause.

Am nächsten Morgen fuhren wir an einen ganz besonderen Platz, nämlich an die Stelle, an der wir am 27.08.2005 geheiratet haben. Auf Felsen, fast mit den Füßen im Wasser. Nun standen wir an unserem Platz und zeigten den Kindern, wo wir uns das Ja-Wort gegeben hatten. Wir genossen die Stille und Ruhe und schauten uns die Seesterne und Minikrebse im Wasser an. Irgendwann mussten wir uns aber losreißen. Wir waren mit befreundeten Familien am Cowichan Lake verabredet. Wir wählten die Strecke über den West Coast Scenic Drive, denn in Kanada gilt: der Weg ist das Ziel, überall phänomenale Aussichten! Was auf der Karte aber wie ein Katzensprung aussieht, dauerte gute fünf Stunden. Gegen 17.30 Uhr kamen wir am See an. Der Cowichan Lake ist ein ungefähr 30 Kilometer langer, maximal vier Kilometer breiter Süßwasser-See im Süden von Vancouver Island. Der Campground lag abgeschieden, andere Camper waren nicht zu sehen. Nach der langen Autofahrt wollten wir uns im See abkühlen. So wurden die ersten Gespräche im Wasser geführt. Es wurde ein wunderschöner Abend. Wir saßen um ein Gasfeuer herum, was ich im ersten Moment ein bisschen albern und irritierend fand, aber es war erlaubt und ungefährlich und - zugegeben - in der Dunkelheit und zunehmenden nächtlichen Kälte ganz gemütlich. Die Kinder schmorten Marshmallows über dem Feuer.

Nach drei Tagen hieß es Abschied nehmen. Wir fuhren weiter, Richtung Ucluelet, zum Mussel Beach Wilderness Campground. Unterwegs machten wir einen kurzen Zwischenstopp bei Cathedral Grove und bewunderten dort die bis zu 76 Meter hohen Douglastannen, die ältesten von ihnen 800 Jahre alt. Den Rest der Strecke fuhren wir durch. Nach rund sechs Stunden Fahrt erreichten wir den Mussel Beach Wilderness Campground. Die letzten acht Kilometer bestehen aus einer etwas unebenen Gravel Road, nicht dramatisch, aber ziemlich bumpy. Sie hat uns ordentlich zum Schaukeln gebracht und es gab ein paar Verluste bei den langstieligen Weingläsern. Der Camp­ground hat uns sofort begeistert. Er macht seinem Namen alle Ehre: Muscheln en masse. Wir hatten eine private Waterfront Site reserviert und waren hin und weg von dem wundervollen Ausblick: direkt am Pazifik, nördlich des Barclay Sound, am einsamen Strand, Seesterne, Anemonen und Krebse, die Campsite selbst umgeben von ein paar Bäumen. Beim Einchecken wurde uns mitgeteilt: heute Nachmittag wurde ein Schwarzbär gesichtet, vor einigen Tagen ein Puma - wie aufregend.

Morgens ganz früh raus, einen Kaffee in der Hand, auf das Meer blicken und Ausschau halten nach wilden Tieren - so könnte für mich jeder Tag beginnen. Der einzige Mensch am Meer. Die Gezeiten beobachten, zusehen, wie das Wasser in die Wasserarme strömt, diese unglaubliche Stille und Ruhe, nur Natur, sonst gar nichts. Wir hätten ewig hier bleiben können. Aber so war es nicht geplant. Wir mussten wieder zurück an die Ostküste von Vancouver Island und dann ganz rauf bis zum Cluxewe Resort, gelegen auf halber Strecke zwischen Port Hardy und Telegraph Cove. Wer den Reisebericht "Wildes Vancouver Island" von Rainer Schoof gelesen hat, sieht, dass wir uns hinsichtlich unserer Reiseroute und der Aktivitäten sehr von ihm haben inspirieren lassen. Nach dem malerischen Mussel Beach kam mir das Cluxewe Resort etwas riesig vor. Wir hatten zwar eine vorgebuchte Waterfront Site ganz hinten mit Blick auf den Ozean, aber wir kamen erst sehr spät abends an. Der Campingplatz war sehr voll, es war dunkel, das Wetter schmuddelig. Machte aber nichts, denn wir hatten das Resort ohnehin nur als Ausgangspunkt für weitere Touren gebucht. Sehr früh am nächsten Morgen fuhren wir nach Telegraph Cove, wo wir uns um 8 Uhr bei Tide Rip Grizzly Adventures meldeten, um an einer Grizzly Bear Tour teilzunehmen. Wir hatten zwar schon mehrfach Schwarzbären, aber noch nie in unserem Leben einen Grizzly gesehen.

Mit rund acht weiteren Personen bestiegen wir ein kleines Boot und fuhren raus durch das Knight Inlet, einen Fjord, der 125 Kilometer lang in die Region der Coastal Mountain Range in BC hineinragt. Der anfängliche Nebel lichtete sich und wir bestaunten die phantastische Inselwelt. Nach ca. eineinhalb Stunden Fahrtzeit machten wir einen Zwischenstopp an einem Bootssteg am Anfang der Glendale Cove. Glendale Cove liegt in der südlichen Ecke des "Great-Bear-Regenwaldes" und ist Heimat einer großen Anzahl von Grizzlybären. Wir stiegen an dem Bootssteg auf ein spezielles, sehr flaches Boot um, das keine Kabine, sondern nur eine schmale hochgelegene Aussichtsplattform hat, auf der mehrere Personen Platz hatten. Damit fuhren wir weiter in die Bucht hinein. Wir erreichten ca. 10 Minuten später das Ende des Wasserarmes, machten den Motor aus und ließen uns näher an das Ufer herantreiben. Was wir dann sahen, war wirklich spektakulär: mindestens 20 Grizzlies, vielleicht auch noch mehr, immer wieder poppten im hohen Gras neue Köpfe hoch, Tiere kamen näher oder entfernten sich. Als wir nachmittags wieder in Telegraph Cove ankamen, waren wir geflasht.

Dann kam das Orca Camp. Es liegt an der Johnston Strait auf Vancouver Island gegenüber von Harbledown Island und Crawcroft Island. Das Camp ist nur mit dem Boot erreichbar. Es besteht aus einer großen offenen Küche, zwei neu installierten Toilettenräumen, einem "Bad" aus Zedernholz mit zwei herrlichen Warmwasserduschen ("wobbly bear spa") und mehreren fest installierten Zelten mit ordentlich gepolsterten Schlafmatten und Schlafsäcken. Diese einzelnen Campbestandteile liegen nicht alle direkt nebeneinander, man muss über einen kleinen Pfad ein paar Schritte durch den Regenwald gehen, um beispielsweise von der Außenküche zu den Zelten zu gelangen, was dem Ganzen einen besonderen Charme verleiht.

Wir einigten uns schnell, wer mit wem in einem Zelt schläft, verstauten unsere Reisetaschen und zogen uns um: Neoprenschuhe und "quick dry"-Klamotten. Alles, was aus Baumwolle ist, hat in diesem Camp nichts zu suchen. Nach einer Einweisung fuhren wir zum ersten Mal raus, Thommy mit Noah (9) in einem Kajak, Yannick (11) mit mir. Ich hatte im Vorfeld ein bisschen Bedenken, dass die Kinder Angst bekommen könnten, aber sie hatten riesigen Spaß. Das Wasser fällt direkt hinter dem Ufer steil ab und wird relativ schnell sehr tief, in der Mitte der Strait ist es einige hundert Meter tief. Schon am ersten Nachmittag hatten wir Glück. Wir paddelten links die Strait hoch und sahen eine große Walgruppe an uns vorbeiziehen.

Die Versorgung mit Essen war wunderbar, es gab immer große Mengen an sehr schmackhaften Gerichten, und morgens standen Kaffee, Tee und Kakao immer schon bereit. Die Nächte in den Zelten waren gut, fast zu gut, denn mehrfach müssen Orcas nachts direkt vor dem Camp ein Riesenspektakel gemacht haben, das wir verschlafen haben.

Die Tage im Orca Camp waren der Wahnsinn! Die Guides Ken und Jordan standen immer in Funkkontakt zu den "Whale-Watching-Booten", so dass sie ungefähr ausmachen konnten, wo und wann Wale vorbeiziehen würden. Neben Orcas sahen wir auch Seelöwen, Seehunde, Schweinswale und Buckelwale. Auch das Kajaken war traumhaft. Bisher bin ich in meinem Leben höchstens Ruderboot oder Kanu gefahren, würde nach dieser Erfahrung aber Kayaking immer vorziehen. Wir glitten schnell und mühelos über das Wasser, und es war nicht schwierig, auch für die Kinder nicht, beim Paddeln einigermaßen den Rhythmus zu halten.

Die Tiefe des Wassers war respekteinflößend, vor allem, wenn man sich klar darüber wurde, dass jederzeit riesige Wale unter oder neben einem auftauchen konnten. Es war ein herrlicher Nervenkitzel, über das Wasser zu gleiten und auf den Atemstoß eines Wales zu warten, der meilenweit über die See zu hören war und dann immer näher kam. Wir haben mehrfach Gruppen von Orcas an uns vorbeiziehen sehen, einmal kamen mehrere Gruppen aus verschiedenen Richtungen, wir wussten gar nicht, wo wir zuerst hinschauen sollten. Wir haben sie jagen und spielen sehen. Das Gefühl war unbeschreiblich, etwas wie Ehrfurcht und tiefe Dankbarkeit. Die Tage im Orca Camp waren berauschend, lehrreich, spannend und entspannend, ich könnte noch seitenweise weiterschreiben, würde aber empfehlen, selbst teilzunehmen. Es ist eine einmalige und wundervolle Erfahrung! Eines der besten Erlebnisse meines Lebens.

Unser nächstes Ziel: Bella Coola. Am nächsten Morgen nahmen wir die Fähre von Port Hardy nach Bella Bella, um dann eine weitere Fähre nach Bella Coola zu nehmen. Die Fährfahrt umfasste 17 Stunden und ist ein Teil der berühmten Inside Passage. Sie ist wunderschön, aber nicht so spektakulär, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Vielleicht aufgrund der unglaublichen Erlebnisse der letzten Tage.

Über den Highway fuhren wir entlang der Orte Tatla Lake und Williams Lake in den Wells Gray Provincial Park. Wir hatten ihn schon zweimal besucht, er hat uns aber nie wirklich vom Hocker gerissen. Diesmal wollten wir es mit einer Kanufahrt versuchen. Wir steuerten den Clearwater Lake Camp­­g­round im Wells Gray Park an. Als wir uns eingerichtet hatten, machten wir nur noch einen kleinen Spaziergang zum nächsten Lookout auf die Stromschnellen und zum Osprey Café (Restaurant und Kanuverleih), um unsere Kanus für den nächsten Tag zu reservieren. Es war verboten, die Wanderwege in die Wälder zu nehmen. Überall standen Schilder mit der Aufschrift "Area closed due to wildfire threat". Ein bisschen frustrierend. Am nächsten Morgen holten wir uns die Westen und Paddel am Osprey Café ab und fuhren dann weiter bis zum Bootssteg, wo die Kanus lagen. Dort trugen wir zwei Kanus ins Wasser und paddelten los. Ich mache es kurz: Wir waren mehrere Stunden auf dem See, legten eine gute Strecke zurück, machten an einem netten Strand Halt und fuhren dann wieder zurück, aber: Nach unseren Kajaktouren auf dem Meer zwischen Orcas, Seelöwen und Schweinswalen war das hier doch eher mau. Die Enten konnten uns nicht beeindrucken, der Himmel war immerwährend leicht von Rauch überzogen und das Kanufahren war im Gegensatz zum Kayaking so anstrengend, dass unsere Kinder streikten. Fazit: Es war nett, aber der Wells Gray Park ist wirklich nichts für uns. Das war seine letzte Chance!
Wir nahmen den Highway 5 nach Norden und bogen dann nach Osten Richtung Rockies ab zum Mount Robson Campground. Hier bekamen wir aufgrund unserer relativ frühen Ankunft und wegen der Größe des Platzes noch eine sehr schöne Campsite. Nachdem wir uns kurz eingerichtet hatten, machten wir einen herrlichen Rundgang zum Fluss und zurück und spazierten dann zum Mount Robson Information Centre mit tollem Panoramablick auf den Berg, der sich diesmal zwar nicht vor blauem Himmel, aber fast komplett zeigte.

Wir fuhren weiter in den Jasper National Park. Im Ort Jasper kauften wir ein und waren geschockt angesichts der Menschenmassen. Im Visitor Centre versuchten wir uns hinsichtlich unserer Möglichkeiten zu orientieren, aber es war nirgendwo etwas zu machen, alle Camp­grounds entlang des Icefields Parkway in den Rockies waren hoffnungslos überfüllt. Also entschieden wir uns schweren Herzens, durch die Berge in die dahinter gelegenen Gebiete, genauer in den A. Switzer Provincial Park zu fahren und steuerten dort den Gregg Lake Camp­ground an. Es tat mir im Herzen weh, als ich die wilden Rockies im Rückspiegel immer kleiner werden sah, aber es war unter diesen Umständen die richtige Entscheidung: Wir waren sehr erleichtert, als wir sahen, dass der Gregg Lake Campground noch viele Plätze frei hatte.
Ein Spaziergang am See tat gut, die Jungs liefen zum nächsten Spielplatz und mit einem echten Lagerfeuer (kein Fire Ban in diesem Gebiet) wurde es ein sehr schöner Abend mit haufenweise Squirrels, die unser Essen klauen wollten. Unsere Campnachbarn, die uns in unserem Entschluss, die Rockies zu verlassen, bestärkten und uns erklärten, wie wundervoll es hier im Hinterland sei, erzählten uns von verschiedenen tollen Trips, die man hier machen könne. Wir entschieden uns für den Kettle Trail, ein sehr langer Weg durch Waldgebiete, ohne Aussicht auf irgendeinen See.

Zum Wochenende wechselten wir auf den Cache Lake Campground ganz in der Nähe, fuhren aber, nachdem wir bezahlt hatten, direkt weiter zurück in den Jasper National Park nach Miette Hotsprings (ca. 60 Kilometer vor Jasper) und parkten hier. Von hier aus starteten wir zum Sulphur Skyline Trail, eine wundervolle Wanderung. Auf einer Länge von rund acht Kilometern ging es ca. 700 Höhenmeter hinauf auf den Sulphur Ridge. Bei den heißen Quellen war noch irre viel los, aber als wir die ersten Kilometer hinter uns hatten, mussten wir nur noch sehr selten Leute vorbeilassen. Wir waren auch nicht gerade früh dran, so dass uns einige Wanderer schon wieder entgegen kamen. Der Aufstieg führte uns zuerst durch Wald, dann unter freiem Himmel steil über Geröll zum Grat hinauf, wo wir mit einem gigantischen 360°-Rundumblick belohnt wurden. Während es unten noch recht windstill war, herrschte hier oben ein stürmischer und eisiger Wind. Aber der Ausblick war einfach unglaublich.

Mit vielen kleinen und der sehr langen Pause oben am Grat benötigten wir ca. vier Stunden für die komplette Wanderung. Wieder unten am Parkplatz angekommen, zogen wir uns kurz im Wohnwagen um und gingen dann ins Schwimmbad. Die heißen Quellen machten ihrem Namen alle Ehre. Es tat unglaublich gut, unter freiem Himmel mit immer noch wunderschönem Ausblick im heißen Wasser zu dümpeln und sich dort nach der Wanderung zu entspannen. Ein rundum grandioser Tag.

Unser neues Ziel war, da wir in den Nationalparks keinen Fuß auf den Boden bekamen, der Whitehorse Creek Provincial Park. Wir wurden mehrfach gewarnt, dass wir bei Wanderungen mit den Jungs sehr vorsichtig sein sollten, weil man dort überall und ständig Wildlife, vor allem Bären, begegnen würde. Was für eine verlockende Warnung! Wir machten uns auf die Suche nach einer Campsite und fanden einen wunderschönen einsamen Platz auf dem Whitehorse Creek Provincial Park Campground mit Blick auf den Fluss. Auch dieser Abend endete mit einem großen Campfire. Am nächsten Tag fuhren wir etwa fünf Kilometer weiter über eine Gravel Road bis zum Cardinal Divide Viewpoint. Hier wird die Wasserscheide zwischen zwei großen Flusssystemen markiert, das Wasser fließt von hier aus entweder nach Norden entlang des Athabasca River Richtung Arktischer Ozean oder in den North Saskatchewan River Richtung Hudson Bay. Die Aussicht vom Plateau war trotz Rauch und Bewölkung herrlich.

Wir wollten nur ein kurzes Stück fahren - bis zum Brazeau River Campground. Wir waren aber offensichtlich so vertieft in unsere immerzu während der Fahrten laufenden Karl May Hörspiele, dass wir es geschafft haben, aus Versehen von der 734 auf die Elk River Road Richtung Lodgepole abzubiegen und dort total verblendet ca. 100 Kilometer (Gravel Road!) in der falschen Richtung zurückzulegen. Unfassbar! Wir mussten die komplette Strecke wieder zurückfahren. Der Brazeau River Camp­ground am Fluss war super schön, und wir waren happy, als wir endlich ankamen. Weiter ging es auf dem zentralen Abschnitt der Forestry Trunk Road, die sich über einige Kilometer entlang der Ostseite der Rocky Mountains windet. Über diese gut befahrbare und idyllische Schotterpiste gelangten wir über Nordegg schließlich zum Goldeye Lake Campground, wo wir noch eine sehr schön gelegene große Site unten am See erwischten. Hier war es nicht so überfüllt, später hätten wir aber auch nicht kommen dürfen, sonst wären wir leer ausgegangen.

Den ganzen Tag lang verbrachten wir am See. Wir lasen und dösten in der Sonne, die Kinder "kochten" mit Gräsern, Rinde und Früchten. Gegen Abend beobachteten wir am See Fischadler, die immer wieder ins Wasser stießen, bis sich auch der letzte, der sich etwas schwer tat, mit seiner Beute wieder in den Wald zurückgezogen hatte. Zum Abendessen entzündeten wir noch einmal ein richtig schönes Campfire, das letzte für diesen Urlaub.
Endlich wieder Rocky Mountains! Das "endlich" kann ich mir leider nicht verkneifen, denn ich bin definitiv ein Fan der hohen Berge und würde diese dem "Hinterland" immer vorziehen. Wir hatten den Platz auf dem Lake Louise Trailer Campground für die letzten Tage schon vor Monaten reserviert, da wir auf Nummer sicher gehen und vor dem Abflug ab Calgary in der Nähe campen wollten. Auf dem Weg nach Lake Louise hatten wir uns einen Zwischenstopp und die Wanderung zum Helen Lake vorgenommen. Leider waren wir erst gegen 14 Uhr am Startpunkt, weil wir bereits auf dem spektakulären Stück des David Thompson Highways bis zum Saskatchewan River Crossing ständig Halt machen "mussten" und bei den Wahnsinnsausblicken aus dem Staunen gar nicht mehr herauskamen. Wir waren geflasht von so viel Schönheit direkt am Straßenrand: Eine Herde Bighorn Sheep vor dem Saskatchewan River, überall Gletscher oder schneebedeckte Berge, hinter jeder Ecke ein neues "Ahhh" und "Ohhh"...

Der Helen Lake Trail startet an einem Parkplatz rund 37 Kilometer nördlich von Lake Louise. Die Wanderung ist ca. zwölf Kilometer lang und führt über 460 Höhenmeter hinauf zum Helen Lake. Laut Wanderführer - und das können wir jetzt bestätigen - eine der schönsten Touren im Banff Nationalpark. Der Trail führte uns durch Waldgebiet, bezaubernde, märchenhafte Wildblumenwiesen und vorbei an Bergseen, über herabrinnende Bäche bis zum wunderschönen Helen Lake. Es ist spektakulär! Wir stiegen weiter auf, rechts am See vorbei auf die nächste Ebene, um über den nächsten Grat zu schauen. Ganz schöne Kletterei am Schluss, aber die Jungs waren tapfer und machten mit. Oben angekommen, tat sich eine neue umwerfende Aussicht auf und links von uns sahen wir ein kleines Schneefeld unterhalb des Berghangs am Cirque Peak. Die Jungs schrien nur "Schnee" und rannten mit neuer Energie über die Ebene zum doch recht weit entfernten Schneefeld. Als wir bemerkten, wie eine Schlechtwetterfront über die benachbarten Berge schwappte, traten wir gemeinsam den Heimweg an. Die nächsten 15 Minuten mussten wir unglücklicherweise durch dichten Hagel marschieren, aber das kann echte Abenteurer natürlich nicht erschüttern. Das Wetter besserte sich nach einer halben Stunde merklich, sodass wir den Rückweg genießen konnten. Abends sanken wir glücklich und erschöpft in unsere Wohnmobilbetten.

Für den letzten Urlaubstag fiel die Wahl auf die Wanderung vom Moraine Lake zum Eiffel Lake. Der Weg um den See war noch rappelvoll, aber 99 Prozent aller Touris lässt man hinter sich, wenn man sich einen längeren Trail vornimmt. So lichtete es sich recht schnell. Dann sahen wir kaum noch jemanden. Der Weg wurde immer schöner, als sich der Wald langsam lichtete und wir hin und wieder von weit oben herrliche Ausblicke auf den Moraine Lake hatten, der unter uns in einem fast schon kitschigen Türkiston im Tal lag. Nach einiger Zeit traten wir weiter oben aus dem Wald heraus und kamen auf einen steinigen Weg, der ab hier weitgehend flach verlief, mit unfassbarem Bergpanorama. Man hat während der ganzen restlichen Wanderung einen beeindruckenden Ausblick auf das Valley of the Ten Peaks und den Eiffel Lake. Einfach bombastisch!

Wir waren zwar schon recht spät dran, aber konnten es auch diesmal nicht lassen. Der Blick hoch zum Wenkchemna Pass (2611 Meter) war einfach zu verlockend. Wir gingen weiter - komplett allein. Der Weg windet sich durch das rechte Ende des Tals und lohnt sich definitiv. Vorher geprägt durch immer wieder andersfarbige Seitenmoränen, mal kleine Steine, mal riesige Felsbrocken, wurde das Tal kurz vor dem Anstieg auf den Pass richtig grün und von einem Gletscherbach durchzogen. Die bunten Flechten auf den Felsen und einige wilde Bergblumen vollendeten das farbenprächtige und doch raue Bild. Der Aufstieg auf den Pass war gut machbar, etwas rutschig wurde es nur, als wir unterhalb des Passes ein Schneefeld durchqueren mussten. Dann war es geschafft.

Der Pass oben ist sehr breit, man kann hier gut Rast machen. Die Aussicht in das hinter dem Pass liegende Tal ist zwar beeindruckend, kann aber mit dem Blick zurück in das Valley of the Ten Peaks nicht mithalten. Von hier oben ist die Sicht noch grandioser, weil man nicht nur das Tal und die zehn Gipfel auf der rechten Seite überblickt, sondern auch einen einzigartigen Ausblick auf die andere Bergseite hat, vor allem den Mount Temple. Die komplette Wanderung vom Moraine Lake bis zum Wenkchemna Pass umfasst 20-21 Kilometer. Wir haben insgesamt gute sieben Stunden gebraucht. Vor allem das letzte Straßenstück war aber eine echte Tortur für die Kinder, fast wären sie in den Sitzstreik getreten. Der Urlaub war mit dieser Wanderung vorbei. Wir fuhren in unseren Wanderklamotten direkt bis zum vorgebuchten Campground vor Calgary. Etwas anstrengend. Ich bin aber unendlich froh, dass wir diesem Tag noch einmal alles abverlangt hatten.

Die Rückreise verlief reibungslos. Die "Landung" zu Hause fiel uns nicht leicht, die Zeitumstellung in diese Richtung klappte sehr schlecht, es war schwierig, sich wieder einzuleben. Aber eines ist sicher: Wir kommen wieder! Trotz der Brände, der teilweise sehr schlechten Sicht, der Überfüllung vieler Campgrounds und obwohl wir unsere Reiseroute nicht durchziehen konnten wie geplant, würde ich unsere Reise mit folgenden Worten zusammenfassen: Es war wundervoll, vier Wochen Natur, Abenteuer, Freiheit, Familie, Glück. Der Urlaub hat uns so viel gegeben, was uns keiner mehr nehmen kann. Es war die erste lange Reise, an die sich unsere Kinder in allen Einzelheiten erinnern werden. Kleine Erinnerungsschätze, die wir immer mit uns tragen werden.