Orca Camp British Columbia, Vancouver Island & Sunshine Coast - Kanada Kanu &, Kajak, Westküste und Mehrtagesexkursion

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Orca Camp

Ganze fünf Tage verbringe ich im Orca Camp an der Ostküste Vancouver Islands. Eingebettet in die malerische Landschaft der Johnstone Strait liegt das Camp an einem einsamen Strand inmitten des Regenwaldes. Durch schmale Pfade sind die Zelte sowohl untereinander als auch mit dem Küchen- und Aufenthaltsbereich verbunden. Entgegen meiner anfänglichen Bedenken fühle ich mich im Zelt pudelwohl und bin begeistert von der gemütlichen Atmosphäre. Es wirkt alles so entspannt und friedlich. Der passende Ort für ein naturnahes Camp-Abenteuer! Die Organisation der täglichen Abläufe übernehmen Ken und Jordan. Die beiden Guides enttarnen sich als wahre Multitalente. Neben der Anleitung beim Kayaking bereiten uns die beiden jeden Morgen ein leckeres Frühstück zu, stellen ein Lunch-To-Go zusammen und zaubern ein abwechslungsreiches Abendessen auf den Tisch. Ganz nebenbei sorgen sie auch noch für die passende Unterhaltung. Die unzähligen lebhaften Geschichten von Ken bringen in Kombination mit Jordans pfiffigen Kommentaren ausgelassene Stimmung ins Camp. Die beiden sind einfach großartig!

Von der Basis aus geht es für die gesamte Gruppe täglich mit dem Kajak auf Erkundungstour. Im Camp finden bis zu zwölf Personen bequem Platz. In Ausnahmefällen sind auch manchmal 16 Abenteurer am Start. Momentan bilden wir zu neunt eine gemischte Gästegruppe. Das Paddeln scheint in jedem Fall allen viel Spaß zu bereiten. Aktiv sein und dabei die Vielfalt der Natur entdecken ist meiner Meinung nach die perfekte Kombination. Ich hüpfe in meine Ausrüstung hinein und verpacke meinen Dry Bag inklusive Kamera im Kajak. Noch flott ein Paddel schnappen und dann kann es losgehen. Ken und Jordan erklären uns, dass die Kajak-Einheiten von drei wichtigen Faktoren abhängen: Whales, Wind and Waves. Anhand dieser Faktoren entscheiden sich die Guides für ein passendes Tagesprogramm. Immer unter dem Vorbehalt, dass sich der ursprüngliche Plan jederzeit in Abhängigkeit der Faktoren ändern kann. Klingt soweit logisch! In der Natur ist eben kein Tag wie der andere.

Und genau das haben meine Erfahrungen der letzten Tage hier im Orca Camp mehr als bestätigt. Man weiß nie, was man an Land und/oder auf dem Wasser so alles erlebt. Direkt auf der ersten Paddeltour begegnen wir Robben, Seelöwen und Schweinswalen. In den Baumspitzen thront der ein oder andere Weißkopfseeadler und ganz unerwartet taucht am späten Nachmittag ein Schwarzbär am Ufer auf. Wir sind ganz leise und nähern uns dem Bären mit nahezu lautlosen Paddelschlägen. Er spaziert eine ganze Weile am Strand entlang und wir können ihn hervorragend vom Wasser aus beobachten. Ein einmaliger Start in die Woche!

Tag drei auf dem Wasser entwickelt sich nach einem eher unspektakulären Einstieg überraschender Weise zur Erfolgsstory. Ich bin zusammen mit den Guides sowie den Neuankömmlingen Sylwia aus der Schweiz, Jorge aus Spanien und Nora aus Deutschland unterwegs. Auf einmal geht dann alles ganz schnell. Über Funk bekommen Jordan und Ken die Info, dass eine Gruppe Orcas die Johnstone Strait in Richtung Norden passiert. Die Meldung lässt bei allen Beteiligten unmittelbar das Orca-Fieber ausbrechen. Wie die Wilden paddeln wir los! Perfektes Timing, die sogenannten Bigg's Orcas oder auch Transient Orcas genannt, kommen genau in unsere Richtung. Bei den Orcas wird unterschieden in drei verschiedene Typen. Die Residents, die Transients und die Offshores. Die Resident Orcas werden nochmals in Northern und Southern Residents unterschieden. Die hier heimischen Northern Resident Orcas ernähren sich von Lachs und zwar fast ausschließlich von einer bestimmten Sorte, dem Königslachs. Im Gegensatz zu den Residents jagen die Transients vorrangig Meeressäuger wie Robben, Seelöwen und Delfine. Jordan erzählt, dass alle Säuger versuchen, aus dem Ozean zu verschwinden sobald die raffiniert jagenden Transients in der Nähe sind. Wie gut, dass wir nicht zu ihrem Beuteschema gehören! Ken zeigt eine Richtung an und sagt, dass er die Orcas sehen kann. Blitzschnell werden die Kameras gezückt. Phänomenal, dort drüben sind sie! In einer Gruppe von sechs Tieren ziehen die Orcas in zügigem Tempo durch die Johnstone Strait. Oh wow, es ist auch ein Kalb dabei! So schnell kann es gehen. Eben gab es noch keine Spur von den Tieren und zack jetzt sind sie direkt vor uns. Traumhaft! Auch in den Kajaks links und rechts neben mir herrscht pure Begeisterung.

Hauptthema sind ab sofort die Orcas! Jordan erzählt mir, wie belebt die Region normalerweise zu dieser Jahreszeit ist. Seine Augen strahlen während er mir von seinen Erlebnissen berichtet. Es muss nahezu magisch sein, wenn die Wale in ihren großen Gruppen neben den Kajaks auftauchen. Ken und Jordan sind über Funk in Kontakt mit einem Forschungsteam sowie verschiedenen Whale Watching Anbietern. Leider gibt es aber bisher keine weitere Meldung über Orcas in unserer Region. In diesem Jahr scheinen die Lachse verhältnismäßig spät dran zu sein. Erfahrungsgemäß zieht es sie schon früher im Jahr aus dem Ozean in die Fjorde und zu ihren Laichplätzen. Aber naja, da kann man nichts machen. Wenn die Orcas hier keine Nahrung finden, dann ist es mehr als verständlich, dass sie sich momentan noch woanders aufhalten. Dafür überrascht uns am vorletzten Abend ein ganz anderer Gast mit seinem Besuch. Ich liege schon im Zelt und bin kurz eingenickt, als ich von einem lauten Rauschen wieder wach werde. Von draußen höre ich die anderen reden, verstehen kann ich sie nicht. Im nächsten Moment ruft Jordan mir zu, dass ein Buckelwal direkt vor unserem Camp aufgetaucht ist. Daher kommen also die seltsamen Geräusche! Innerhalb von Sekunden habe ich meine Schuhe angezogen und stolpere halb aus dem Zelt heraus. Ich möchte den Wal auf keinen Fall verpassen! Wow, er frisst grob 30 Meter vom Ufer entfernt. Ich stehe mit offenem Mund da und warte gespannt bis er das nächste Mal auftaucht. Wuuuusch, da ist er wieder! Es hört sich ein wenig an wie Donner, wenn der massive Wal sein Maul öffnet. Leider ist es schon recht dunkel und ich kann nur noch Umrisse erkennen. Aber das ist gerade ein Luxusproblem! Es sieht so aus, als würde der Wal weiterziehen. Moment... Er dreht wieder um und kommt zurück zum Camp. Was für eine geniale Show!

Ganz groß geschrieben wird im Orca Camp auch die Vermittlung von Wissen über die hier heimischen Tiere und ihren Lebensraum. Ganz nebenbei ergeben sich aus einer einzelnen Frage an die Guides hoch informative Gespräche. Unbewusst nehme ich viele Fakten auf und lerne nahezu automatisch. Wenn das mal immer so einfach wäre! Um uns noch ein wenig intensiver mit den Orcas zu beschäftigen, besuchen wir in unserer kleinen Sechsergruppe eine Forschungsstation auf West Cracroft Island. Ich realisiere schon bei unserer Ankunft, dass der Aussichtspunkt nicht umsonst Eagle Eye heißt. Man kann die gesamte Breite der Johnstone Strait überblicken. Traumhaft schön! Die Mitarbeiter des Robson Bight Warden Program dokumentieren von hier aus sowohl die Aktivität der Wildtiere als auch den Schiffsverkehr. Jeder einzelne Orca, der vorbeizieht wird in eine spezielle Kartei eingetragen und lässt sich anhand seiner individuellen Markierungen identifizieren. Beispielsweise hat jedes Tier einen sogenannten Sattelfleck hinter der Rückenflosse. Die markanten Zeichnungen erlauben den Forschern eine Unterscheidung der Tiere. Auch kleine Einkerbungen an der Rückenflosse, die beispielsweise durch Verletzungen entstehen können, helfen bei der Zuordnung. Zusätzlich stellt das Forschungsteam sicher, dass sich niemand unbefugt im Schutzgebiet der Robson Bight aufhält. Es handelt sich um eine große Bucht in unmittelbarere Nähe unseres Camps. Die Forscher geben den Orcas hier die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und Abstand vom Bootsverkehr zu gewinnen. Die Forschungsstation am Eagle Eye ist definitiv einen Besuch wert.

Ich genieße die Tage im Orca Camp in vollen Zügen und habe das Gefühl, dass die Zeit nur so verfliegt. Draußen in der Natur leben, aktiv die vielfältige Tierwelt der Johnstone Strait per Kajak entdecken und gemeinsam in der Gruppe das Beisammensein im Camp genießen. Das alles kombiniert sich meiner Meinung nach zu einem unschlagbaren Gesamtpaket für bewegungsfreudige Naturliebhaber.


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