Great Bear Lodge British Columbia, Vancouver Island & Sunshine Coast - Kanada Grizzlybären und Bärenbeobachtungen

FRANZIS 6 MONATE KANADA: Das Praktikum ihres Lebens

Franzi in Kanada auf Tour: Tag 24
Ankunft Great Bear Lodge

Vormittags verlassen wir das Orca Camp am Warden Beach mit dem Wasser Taxi und kommen etwa eine dreiviertel Stunde später in Port McNeill an. Jordan ist so lieb und bringt mich von hier aus mit seinem Auto nach Port Hardy, sodass ich heute Nachmittag das Flugzeug zur Great Bear Lodge erwische. Erst einmal verabschiede ich mich aber von den anderen Orca Camp Abenteurern. Das gemeinsame Erkunden der Region, das Paddeln im Kajak und das Beisammensein im Camp haben mir viel Spaß gemacht. Zum Abschied gibt es für jeden eine dicke Umarmung!

Jordan liefert mich an der Float Plane Base der Great Bear Lodge ab und ich verabschiede mich von ihm mit einem großen Dankeschön. Eine Mitarbeiterin nimmt mich herzlich in Empfang und erklärt mir die weiteren Abläufe. Um auf die schwimmende Lodge im Smith Inlet zu gelangen, werde ich etwa eine halbe Stunde Richtung Nordosten fliegen. Jenseits der Zivilisation liegt die Lodge mitten in der unberührten Natur. Erst vor Kurzen waren meine Chefs Rainer und Markus zu Besuch und haben phänomenale Bärenbegegnungen erlebt. Ich wünsche mir ganz fest, dass auch ich während meiner Zeit im Great Bear Rainforest den ein oder anderen Grizzly zu Gesicht bekomme.

Keine dreiviertel Stunde später sitze ich zusammen mit Housekeeper Brenna und den beiden Piloten in einem sogenannten Amphibienflugzeug, einer Grumman Goose. Die Maschine kann sowohl an Land als auch auf dem Wasser starten sowie landen. Coole Erfindung! Die Sicht von hier oben ist phänomenal. Wir gleiten über kleine Inselgruppen hinweg und erreichen im Anschluss die Pacific Coastal Mountain Range. Immer wieder ziehen sich unter uns Fjorde vom Pazifik durch die Täler der Berge hindurch. Es sieht aus wie gemalt, nur irgendwie besser! Ich bin noch voll und ganz damit beschäftigt, diese wundervolle Aussicht mit meiner Kamera einzufangen, da tippt Brenna mir auf die Schulter. Sie zeigt aus dem Fenster. Oh wow, dort unten ist die Lodge! Ich werfe ihr ein dankendes Lächeln hinüber und schieße ein paar Fotos der schwimmenden Plattform. Ein kleiner Fleck inmitten endlos wirkender Wildnis!

Ich werde freundlich auf der Lodge in Empfang genommen und freue mich direkt zu Beginn auf ein bekanntes Gesicht zu treffen. Margaret oder kurz Marg ist eine der insgesamt acht Inhaber dieses wundervollen Ortes und heißt mich herzlich willkommen. Sie zeigt mir mein Zimmer für die nächsten zehn Tage und macht mich dann sowohl mit dem Team als auch mit den Gästen bekannt. Zu Besuch sind momentan Angela, Max und Valentina aus Deutschland, Anne und John aus Australien, Björn aus Schweden und Christina aus Amerika. Die ersten fünf Tage meiner Zeit auf der Lodge bin ich als Gast eingeplant und habe die Möglichkeit, das volle Programm mitzuerleben. Zeit um darüber nachzudenken, was für ein Glück ich eigentlich habe, bleibt kaum. Guide Taylor holt mich im Aufenthaltsraum ab und geht mit mir die Sicherheitseinweisung für das Verhalten in der Nähe von Bären durch. Anschließend gibt es ein gemeinsames Abendessen und danach startet schon meine erste Bear Viewing Session.

Marlo begleitet uns heute Abend als Guide und erklärt mir, dass in dieser Region Salzwasser aus dem Pazifik und Süßwasser aus dem hier mündenden Nekite River aufeinander treffen und sich vermischen. Diese Besonderheit bietet einen hervorragenden Lebensraum für verschiedenste Tierarten. In den Sommermonaten stehen den Grizzlies viele verschiedene Nahrungsquellen zur Verfügung. Unter anderem ernähren sie sich vom saftig grünen Riedgras. Marlo ordnet gerade die hörbaren Vogelstimmen ihren Erzeugern zu, da verfällt sie mit einem Mal ins Schweigen. Sie wirft einen konzentrierten Blick durch ihr Fernglas und teilt uns wenige Sekunden später mit, dass sie einen Bären sieht. Ich brauche einen kurzen Moment, um zu begreifen was hier vor sich geht. Wenig später entdecke auch ich die Grizzlyohren versteckt im hohen Gras. Direkt auf meiner ersten Tour nur wenige Stunden nachdem ich auf der Lodge angekommen bin, sehe ich meinen ersten Grizzly. Fantastisch! Ich versuche ein Bild von dem Bären zu machen, da entdecke ich auf einmal ein zweites Paar Ohren. Ich glaube es nicht, das wird ja immer besser! Beim Anblick der beiden Grizzlies fällt mir ein, dass Rainer und Markus von einem Bärenpaar gesprochen haben. Vielleicht sind es ja die beiden Geschwister Fex und Joy. Marlo kann es mir nicht zu hundert Prozent bestätigen, aber es sieht ganz danach aus. Ein mehr als perfekter Start in meine Zeit hier auf der Great Bear Lodge!


Franzi in Kanada auf Tour: Tag 25
Zweiter Tag auf der Great Bear Lodge

Mein erster kompletter Tag auf der Great Bear Lodge beginnt um viertel nach sieben mit einem leckeren Frühstück. Hier auf der Lodge ist das WiFi sehr begrenzt und nur für Bürotätigkeiten der Mitarbeiter freigeschaltet. Handynetz ist logischerweise in der Wildnis Fehlanzeige. Meiner Meinung nach tut es der Gruppendynamik sehr gut, wenn mal für ein paar Tage alle von der Außenwelt getrennt sind. Es entstehen interessante Gespräche, man lernt sich besser kennen und nimmt sich die Zeit, den Aufenthalt in vollen Zügen wahrzunehmen. Um acht Uhr starten wir die morgendliche Entdeckungstour und werden von Guide Taylor begleitet. Ich atme die frische Luft tief ein und lasse die Situation auf mich wirken. Das Wasser ist so ruhig, dass sich die Bäume auf der Wasseroberfläche spiegeln. Zusammen mit den tiefhängenden Wolken wirkt das Ganze fast ein wenig mystisch. Die Stimmen verschiedener Singvögel kommen in der friedlichen Stille besonders intensiv zur Geltung und ergänzen sich zu einem kleinen Konzert. Ein wunderschöner Morgen!

Am Mittag zaubert uns Köchin Julie einen Quinoasalat mit Lachs auf den Teller. Yummy, so lecker! Gut gestärkt starten wir nach dem Essen in das täglich wechselnde Nachmittagsprogramm, die sogenannte Mystery Activity. In einem mit Naturmotiven bemalten Schulbus fahren wir zu einer Bear Viewing Plattform. Von hier aus erleben die Besucher der Great Bear Lodge im Herbst fischende Bären hautnah. Die Lachse ziehen meist ab Ende August den Fluss hinauf und bilden für die Tiere ein Festmahl. Das muss ein beeindruckendes Spektakel sein! Unsere Guides Sabine und Marlo zeigen uns auf dem Rückweg zur Lodge Wege, die auf eine regelmäßige Nutzung durch Bären hinweisen. Außerdem machen sie uns auf Bäume aufmerksam an denen sich vorrangig männliche Grizzlies intensiv schubbern, um ihren Geruch zu hinterlassen. Auch Beiß- und Kratzspuren sind an diesen Bäumen zu erkennen. Und das nicht nahe am Boden, sondern deutlich über meiner Augenhöhe. Ganz schön groß so ein Grizzly! Es macht Spaß, den Guides zuzuhören und sich von ihrer Begeisterung für die Natur anstecken zu lassen. Sie nehmen sich viel Zeit für uns und scheinen große Freude daran zu haben, ihr Wissen und ihre Faszination mit den Gästen zu teilen.

Für die abendliche Bootstour geselle ich mich zu den Gästen John und Max. Guide Tom steuert unser Boot und bringt uns hinein ins Mündungsgebiet des Nekite River. Zusammen mit Marg ist auch Tom einer der acht Inhaber dieser beeindruckenden Unternehmung. Auf dem Wasser ist es heute Abend besonders ruhig und bisher ist unsere Bärensuche noch erfolglos. Aber auch das ist ein Teil des Wildlife Watching. Der Schlüssel heißt Geduld! Und die zahlt sich aus. Auch wenn es heute Abend kein Bär ist, haben wir das Glück, mehrere Weißkopfseeadler und die stylisch frisierten Enten namens Common Merganser zu bestaunen. Kurz vor der Rückkehr zur Lodge übernimmt dann eine Gruppe Robben die Kontrolle über meinen Kameraspeicherplatz. Sie schwimmen um das Boot herum und tauchen dabei nahezu lautlos auf und ab. Auf mich wirken sie ein wenig wie Undercover Agenten! Langsam scheinen sie sich an unsere Anwesenheit zu gewöhnen und robben auf einen Baumstamm, der leicht aus dem Wasser herausragt. Eine nach der anderen nimmt ihren Platz ein und balanciert sich gekonnt auf der Seite liegend aus. Obwohl ich schon etliche Robben gesehen habe, macht es immer wieder aufs Neue Spaß, ihr Verhalten zu beobachten.

Auf der Lodge angekommen erwartet uns ein leckerer Mitternachtssnack. Mit einem kühlen Getränk in der Hand machen wir uns über die appetitlich angerichtete Käseplatte her, genießen das Beisammensein und tauschen unsere Erlebnisse des Tages miteinander aus.


Franzi in Kanada auf Tour: Tag 26
Dritter Tag auf der Great Bear Lodge

An der morgendlichen Bootstour nehme ich heute nicht teil. Mitarbeiterin Florence ist an der Reihe und darf zusammen mit den Gästen die Vielfalt der Natur genießen. Marg und Tom geben ihren Mitarbeitern abwechselnd die Chance an den Bootstouren teilzunehmen. Das finde ich super! Alternativ nutze ich die Zeit, um an meinen Reiseberichten weiter zu arbeiten und meine Fotos zu sortieren. Bei der Vielzahl an Erlebnissen ist die Speicherkarte gefühlt ständig voll. Knapp ein Drittel der Bilder ist zwar grundsätzlich meist für den Papierkorb, aber unter den restlichen sind dafür immerhin ein paar gute Schnappschüsse dabei.

Nach dem Mittagessen geht es gemeinsam mit allen Gästen und unseren Guides zur täglichen Mystery Activity. Geplant war ursprünglich eine Bootsfahrt zu einem versteckten Wasserfall. Aber Pläne können sich ändern! Auf der anderen Seite der Bucht ist eine Gruppe Delfine zu sehen. In wenigen Sekunden sitzen wir im Boot und sind bereit für die Abfahrt! Das ist so aufregend! Guide Taylor sagt, dass ein Besuch der Pacific white-sided dolphins etwas ganz Besonderes ist. Sie schwimmen nur ab und zu den gesamten Weg aus dem offenen Ozean bis ans Ende des Smith Inlet. Wir nähern uns den Tieren. Es ist spektakulär und unwirklich zugleich! Die Delfine sind überall! Vor uns, hinter uns, neben uns und unter uns. Ich weiß gar nicht wo ich hinschauen soll! Mindestens 30 Delfine spielen in den Wellen der Boote. Egal ob jung oder alt, aus Deutschland, Schweden, Amerika oder Australien, wir alle werden zu kleinen Kindern und feiern diesen wunderbaren Moment! Inklusive unserer Guides! Meine Emotionen spielen ganz verrückt. Ich bin überglücklich und gleichzeitig auch komplett überwältigt von dem was ich gerade erlebe. Tränen schießen in meine Augen, während sich mein Lächeln übers ganze Gesicht zieht.

Mit diesem unvergesslichen Erlebnis zum Abschluss ihres Abenteuers fliegen die Gäste mit dem Wasserflugzeug zurück nach Port Hardy. Mit Ausnahme von Christina aus Amerika. Sie bleibt noch für weitere drei Nächte hier. Mit dem Flugzeug angekommen sind bereits sechs neue Gäste. Gemeinsam mit ihnen geht es für mich am Abend auf eine weitere Entdeckungstour per Boot. Es ist stark bewölkt und es regnet leicht. Mit meinem Outfit bestehend aus Regenjacke, Regenhose, Gummistiefeln und Regenhut macht mir die Nässe von oben aber nichts aus. Das gleichmäßige Tröpfeln auf die Wasseroberfläche wirkt fast ein wenig beruhigend. Voll und ganz vergessen ist der Regen, als Marg vor uns einen Grizzlybären entdeckt. Moment, es ist nicht nur einer, es sind zwei Bären! Langsam und bedacht steuert Marg das Boot näher an die beiden heran. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um das Geschwisterpaar Fex und Joy. Die zwei wirken entspannt und lassen sich nicht von unserer Anwesenheit stören. Die junge Bärin Joy scheint es ein wenig eiliger zu haben als ihr Bruder und verschwindet im Wald. Wir beobachten Fex noch solange bis er letztendlich der Spur von Joy in den Wald folgt.

Marg kennt die Region in- und auswendig und paddelt in einen der vielen schmalen Wasserkanäle, um Ausschau nach den Beiden zu halten. Es dämmert mittlerweile stark und bisher haben wir keine Spur. Wir unterhalten uns leise, als Alison aus Neuseeland zum Ufer zeigt. Tatsächlich, rund 30 Meter von uns entfernt kommt ein Bär aus den Büschen gesprungen und macht einen Bauchplatscher ins Wasser. Der Grizzly schwimmt rüber, dreht sich um und hält die Nase zum Riechen in die Höhe. Marg vermutet, dass es Joy gewesen ist. Sie scheint sich vor irgendetwas erschrocken zu haben und Abstand davon gewinnen zu wollen. Mh, wenn das Joy war, wo ist dann Fex? Keine fünf Minuten später sehen wir Fex entspannt aus dem Wald spazieren. Auf dem Weg zum Wasserkanal hält er immer mal kurz an und nimmt genüsslich ein paar Büschel Riedgras zu sich. Keine 15 Meter vor unserem Boot steigt dann auch er ins Wasser und schwimmt rüber zur anderen Seite. Was für ein verrückter Tag!


Franzi in Kanada auf Tour: Tag 27
Vierter Tag auf der Great Bear Lodge

Mein Wecker holt mich heute Morgen aus dem Tiefschlaf. Gestern Abend haben wir noch eine ganze Weile in der Gruppe zusammen gesessen und uns gemeinsam mit unseren Guides über die phänomenalen Bärenbegegnungen ausgetauscht. Ich bin immer noch mehr als begeistert! Positiv gestimmt geht es für uns nach dem Frühstück wieder aufs Wasser. Mal schauen was uns heute so im Mündungsgebiet des Nekite River erwartet.

Der leichte Regen verleiht der Landschaft in Kombination mit feinen Nebelfeldern und hellen Wolken eine mystische Ausstrahlung. Zwei Fischreiher heben neben dem Boot ab und fliegen nur wenige Meter über dem Wasser vor uns her. Auf einem Baumstumpf entdecke ich einen Weißkopfseeadler mit einer zweifarbigen Federfärbung. Taylor erklärt mir, dass es sich um einen jungen Adler handelt, der langsam zu der für seine Art typischen weißen Färbung des Kopfes und der Steuerfedern wechselt. Meiner Meinung nach könnte er auch so bleiben. Es gefällt mir richtig gut! Ich bin noch voll und ganz auf den Adler konzentriert, als Taylor uns an ihrer Entdeckung teilhaben lässt. Sie sieht in Verlängerung der Bootspitze auf einer durch die Ebbe freigelegten Sandfläche einen Bären. Ich schaue durch mein Fernglas und kann ihn grob erkennen. Er balanciert über einen Baumstamm und verschwindet dann im Wald. Leider nur eine kurze Begegnung, aber trotzdem sehr cool! Wir warten noch gute zehn Minuten und schauen, ob der Bär sich eventuell nochmal blicken lässt. Aber vergeblich! Er scheint weitergezogen zu sein. Für das Team der Great Bear Lodge steht bei jeder Bärenbegegnung ein verantwortungsvoller und respektvoller Umgang mit den Tieren im Vordergrund. Ein Teil der Idee ist dabei, dass der Bär sich in Anwesenheit der Menschen wohlfühlen soll. Wir möchten nur Bären begegnen, die auch uns begegnen möchten. Zieht ein Bär sich zurück, lassen wir ihm seinen Freiraum und halten uns von ihm fern. Mit den Booten fahren die Guides täglich ähnliche Strecken ab und nutzen dieselben Wasserkanäle. Das hilft dabei eine Routine zu entwickeln und den Bären die Chance zu geben, das Verhalten der Menschen zu verstehen. Außerdem bleiben Teile des Gebietes vollkommen unberührt, sodass die Bären ihre Rückzugsmöglichkeiten kennen.

Taylor scheint heute einen perfekten Lauf zu haben. Sie findet versteckt hinter hohem Gras einen weiteren Bären. Ich zücke mein Fernglas. Einfach zu entdecken ist der Grizzly nicht, nur die braunen Ohren schauen immer mal wieder hinter den Grashalmen hervor. Jetzt heißt es Geduld! Vielleicht haben wir Glück und der Bär zeigt sich. Knappe zehn Minuten später kommt der prachtvolle Grizzly tatsächlich hinter der Wand aus Gras hervor. Ich spüre wie die Spannung in meinem Körper wächst. Die Bärin ist wunderschön mit ihrer dunklen Fellfarbe und ihrem markanten Gesicht. Anstatt sich in den Wald zu verziehen, entscheidet sie sich, ihren Weg unten am Ufer fortzusetzen. Mannomann, haben wir ein Glück! Sie wandert nur knappe 30 Meter von uns entfernt über die Steine. Völlig lautlos lassen wir uns mit dem Boot neben ihr her treiben. Ein absoluter Gänsehautmoment!


Franzi in Kanada auf Tour: Tag 28
Fünfter Tag auf der Great Bear Lodge

Am Frühstückstisch driften meine Gedanken noch mal zu der gestrigen Bärenbegegnung ab. Ich habe erwartet, dass mir das Erlebte eventuell etwas realer erscheint, wenn ich eine Nacht darüber geschlafen habe. Aber nein, es wirkt auf mich immer noch wie ein Traum! Ganz in Ruhe konnten wir die Bärin in ihrem natürlichen Umfeld beobachten. Sie hat uns wahrgenommen, sich aber keinesfalls von uns stören lassen. Taylors Meinung nach hat sie keine Anzeichen von Stress oder Unwohlsein gezeigt. Ein durchweg positives Aufeinandertreffen!

Guide Marlo holt mich mit einem freundlichen Anstupser zurück ins Hier uns Jetzt. Es ist Zeit sich fertig zu machen für eine nächste abenteuerreiche Bootstour. Ich hüpfe bei Marlo ins Boot und schließe mich den Gästen aus England an. Gaynor und Mark machen mit ihren beiden Söhnen Urlaub in Kanada und genießen die Vielfalt des Landes in vollen Zügen. Faszinierender Weise sieht die Region hier am Ende des Smith Inlet jeden Tag ein wenig anders aus. Heute ist durch die ausgeprägte Ebbe ein großer Teil des sonst vorrangig unter Wasser gelegenen Gebiets freigelegt. Muschelansammlungen an Felsen kommen zum Vorschein, Baumstämme schauen aus dem Wasser hervor und tiefgrüne Grasflächen zieren die Ufer. Der geringe Wasserstand ist allerdings für das Vorankommen im Boot eine Herausforderung. Marlo steigt mehrmals aus und zieht das Boot mit der gesamten Besatzung durchs Wasser. Voller Einsatz! Und das immer mit einem Lächeln im Gesicht!

Die Sonne kommt langsam aber sicher hinter den Wolken hervor. Direkt breitet sich die Wärme auf meiner Haut aus. Nach den letzten beiden regnerischen Tagen ist das heute eine willkommene Abwechslung! In der Nähe der Lodge haben wir bereits mehrere Robben und zwei Weißkopfseeadler angetroffen. Weiter im Innern des Mündungsgebiets treffen wir auf unterschiedlichste Vogelarten. Unter anderem ist ein Stellers Jay dabei, der mir mit seinem auffällig blau-schwarzen Anzug während der Tour immer mal wieder ins Auge springt. Marlo hält das Boot ab und zu an und nutzt die Gelegenheiten, um uns Wissen über die Tier- und Pflanzenwelt zu vermitteln. Sie macht uns zum Beispiel auf Bärenspuren aufmerksam und informiert uns über die vorhandenen Nahrungsquellen der Allesfresser. Ich habe das Gefühl, dass sie ihre Begeisterung für die Natur auf uns überträgt. Es macht Spaß über die Umgebung und die Tierwelt zu lernen und nach und nach die Zusammenhänge in der Natur zu verstehen. Jeder Organismus hat seine Funktion und sorgt für ein natürliches Gleichgewicht. Ziemlich genial!

Oh, was ist denn das da vorne auf dem schmalen Kiesstrand? Das Adrenalinlevel steigt schlagartig in die Höhe! Vielleicht ist es ja ein Bär. Ich schaue durch mein Fernglas und da lüftet sich das Geheimnis. Es ist ein Reh! Wir schauen uns gegenseitig an und müssen ein wenig über unsere erste Reaktion lachen. Sobald sich etwas bewegt, sind alle in Sekundenschnelle auf ihrer höchsten Aufmerksamkeitsstufe! Natürlich wäre ein Bär um einiges spektakulärer gewesen, aber auch über das Reh freue ich mich sehr. Es sieht so schön aus mit seinem goldbraunen Fell und seinem feinen Körperbau. Marlo steuert das Boot in einen schmalen Wasserkanal. Ich schaue mich um und sehe, dass sich etwas hinter einem Busch bewegt. Ich mache Marlo darauf aufmerksam und sofort stoppt sie das Boot. Wir sind mucksmäuschenstill! Wie cool, es ist das Reh von eben! Es kommt in unsere Richtung und hält grobe 20 Meter vor uns an. Seine großen Ohren sind zu uns gerichtet und für einen Moment steht es wie eingefroren dort. Dann dreht es sich zur Seite und geht langsam weiter. Als das Reh im Wald verschwindet, brechen wir unser Schweigen. Wir sind uns alle einig, dass das durchaus eine interessante Begegnung war.


Franzi in Kanada auf Tour: Tag 29
Sechster Tag auf der Great Bear Lodge

Heute Nachmittag heißt es Abschied nehmen von der zweiten Gästegruppe, die ich über die letzten Tage kennenlernen durfte. Aber bevor es soweit ist, haben wir noch eine gemeinsame Bootstour vor uns. Und was für eine! Wir sind keine halbe Stunde unterwegs, da spottet Taylor einen Bären. Ein phänomenaler Start in den Tag! Wir beobachten den Grizzly und sehen, dass er auf einer kleinen Insel im hohen Gras verschwindet. Es vergehen einige Minuten bis Julia aus Frankreich ihn hinter einem umgekippten Baumstamm erneut sehen kann. Aber Moment mal, da hinten ist noch ein zweiter Bär! Es wird ja immer besser! Anhand der Tatsache, dass die beiden Bären so nah beieinander sind und noch recht jung wirken, schließt Taylor darauf, dass es sich um Fex und Joy handelt. Das ist jetzt innerhalb weniger Tage schon mein drittes Aufeinandertreffen mit den beiden. Eine überdurchschnittlich gute Quote würde ich mal so sagen! Marg hat mich zu Beginn meines Aufenthalts darauf aufmerksam gemacht, dass es besonders im Juli erfahrungsgemäß schwieriger ist, Bären anzutreffen. Den Tieren steht zu dieser Jahreszeit eine große Bandbreite an Nahrungsquellen zur Verfügung. Dementsprechend können die Tiere sich bei ihrer Nahrungssuche über ein großes Gebiet verteilen. Umso genialer ist es, dass ich während meiner Zeit auf der Great Bear Lodge so viele großartige Bärenbegegnungen erlebe!

Marlo steuert das andere Boot und ist mit der Familie aus England unterwegs. Sie kontaktiert Taylor und gibt über Funk die Info, dass sich flussabwärts ein weiterer Grizzly aufhält. Wir feiern im Boot eine kleine Flüster-Party und können nicht so recht fassen, dass wir gerade drei Bären in unserem unmittelbaren Umfeld haben. Fex und Joy bewegen sich langsam aber sicher aus unserem Sichtfeld. Das macht uns die Entscheidung ein wenig einfacher, die beiden vorerst zu verlassen und nachzusehen was das andere Boot entdeckt hat. Siehe da, ein männlicher Grizzly nutzt die Ebbe, um sich an Muscheln und kleinen Krabben zu bedienen. Es ist deutlich zu hören, wie er die Schalentiere mit seinen Zähnen zerknackt. Er interessiert sich nicht wirklich für unsere Anwesenheit und nimmt ungestört seine nahrhafte Mahlzeit zu sich. Coole Sache!

Aber nochmal zurück zu Fex und Joy! Die beiden sind aus dem Gras hervor gekommen und haben den Fluss überquert. Wir versuchen sie zu aufzuspüren, haben aber aus der Ferne keinen Erfolg. In der Nähe des Ufers sieht es schon ganz anders aus! Von hier aus sind eindeutige Mampfgeräusche wahrzunehmen. Es scheint, als wären die Laute direkt neben uns, sehen können wir allerdings bislang nichts. Taylor steuert das Boot in einen Wasserkanal, der sich vom Fluss abzweigt. Die Geräusche werden lauter und schließlich erscheinen Bärenohren in meinem Sichtfeld. Es ist Joy! Sie kommt nach und nach aus dem Gras hervor und verursacht vielfaches Auslösen der Kameras. Ich frage Taylor wo sie Fex vermutet. Noch bevor sie antworten kann, hören wir ein lautes Rascheln. Im nächsten Moment erscheint auch Fex hinter den grünen Halmen. Die Situation ist perfekt!


Franzi in Kanada auf Tour: Tag 30
Siebter Tag auf der Great Bear Lodge

Meine Schonfrist auf der Great Bear Lodge ist abgelaufen! Nachdem ich die letzten Tage als Gast auf der Lodge verbracht habe, helfe ich heute und morgen hinter den Kulissen mit. Die vielen liebevollen Gesten machen das Gesamterlebnis zu etwas ganz Besonderem. Egal ob frisch gebackene Kekse oder freundliche Gespräche, dem Gast wird ein rundum sorglos Paket geboten. Meine heutige Herausforderung ist es also, zu genau diesem Ziel beizutragen.

Marg stattet mich mit dem Shirt der Great Bear Lodge und meinem eigenen Namensschildchen aus. Damit gehöre ich jetzt offiziell für die nächsten Tage zum Team! Am Mittag beginnt meine Schicht damit, Köchin Lena beim Abwasch zu helfen. Sicherlich nicht gerade der spannendste Job, aber er muss gemacht werden! Genau wie ich es auch von einer hochwertigen Unterkunft erwarten würde, lege ich viel Genauigkeit in die Sauberkeit des Geschirrs und der Küchenutensilien. Da kommt für die Gläser auch gerne mal das Poliertuch zum Einsatz! Die Gäste sind nach dem Mittagessen zu ihrer täglich wechselnden Mystery Activity aufgebrochen. Zusammen mit zwei Guides wird für gut zwei Stunden die Gegend rund um die Great Bear Lodge erforscht. Über Funk geben die Guides mir Bescheid, wann sie von ihrer Tour zurück sein werden. Das gibt mir die Chance, alles für ihre Ankunft vorzubereiten. Ich bringe frisch gebrühten Kaffee und heißes Teewasser in den geräumigen Aufenthaltsraum. Den Abenteurern stehen außerdem Softdrinks und verschiedene Wein- und Biersorten sowie Snacks zur Verfügung. Nicht zu vergessen: Ofenwarme Kekse! Ich selbst habe die kleinen Aufmerksamkeiten sehr geschätzt. Hoffentlich kann ich damit auch unseren aktuellen Gästen eine kleine Freude bereiten.

Passend zu den Vorbereitungen fürs Abendessen bin ich nach einer kurzen Pause wieder in der Küche. Ich decke den Tisch und unterstütze Lena beim Servieren des höchst appetitlich angerichteten Dinners. Mhmmm, riecht das gut! Da werde ich glatt ein wenig neidisch. Also lieber schnell wieder an die Arbeit! Weiter geht es für mich mit dem Abwasch. Nachdem alles auf Vordermann gebracht ist, gehe ich zusammen mit Lena ins Staff House. Bis die Gäste von ihrer abendlichen Bootstour wieder kommen, heißt es für uns jetzt erst einmal Beine hochlegen. Meine letzte Aufgabe für heute ist das Anrichten des traditionellen "Mitternachtssnacks", den Lena bereits vorbereitet hat. Jeden Abend erwartet die Gäste eine kleine Stärkung, wenn sie gegen 22 Uhr von ihrer Tour zurückkommen. Genau das richtige für einen geselligen Tagesabschluss!

Am nächsten Tag nutze ich die freie Zeit bis zum Mittag für eine Schreibtischsession. Ich feile an meinen Berichten, speichere meine Fotos und Videos in passenden Ordnern ab und checke meine Mails. Da rennt die Zeit für ein paar Stunden einfach mal so an mir vorbei! Es ist schon kurz vor 12 und gleich gibt es Mittagessen im Staff House. Lena zaubert jeden Tag ein leckeres Gericht fürs Team. Jummy! Der heutige Tag läuft ansonsten von den Abläufen sehr ähnlich wie gestern. Ich helfe in der Küche mit und bereite für die Ankunft der Gäste am Nachmittag Getränke und Snacks vor. Herzlich empfange ich die Abenteurer von ihrer Bustour zu den Bear Viewing Plattformen. Es ist ein wunderbares Gefühl, von ihrer Begeisterung über das Erlebte angesteckt zu werden. Während momentan maximal zehn Gäste das Programm der Great Bear Lodge genießen, sind im Herbst bis zu 16 abenteuerlustige Personen zu Gast. Für sie geht es dann nicht per Boot auf Erkundungstour, sondern zu den Plattformen direkt am Fluss. Allein die Erzählungen über lachsfischende Bären, nur wenige Meter entfernt, löst bei mir Gänsehaut aus. Gleichzeitig spielt sich ein kleiner Film vor meinen Augen ab mit Bären überall. Vielleicht komme ich irgendwann passend zur Lachssaison nochmals zurück an diesen magischen Ort.


Franzi in Kanada auf Tour: Tag 31 bis 33
Achter bis zehnter Tag auf der Great Bear Lodge

Genau wie gestern nutze ich den morgen um an meinen Reiseberichten zu arbeiten. Unglaublich, ich bin tatsächlich jetzt schon über einen Monat im Namen von SK Touristik unterwegs. Ich kann gar nicht glauben wie schnell die Zeit verfliegt. Aber gut bei den hammermäßigen Erlebnissen, die mir geboten werden, ist das auch kein Wunder! Heute heißt es für mich nocheinmal fleißig mit anpacken auf der Lodge, bevor ich dann morgen wohl oder übel Tschüss sagen muss. Ich habe das Team der Great Bear Lodge in den letzten Tagen sehr ins Herz geschlossen. Alle sind mir gegenüber aufgeschlossen, es gibt immer was zu reden und Humor wird hier groß geschrieben. Allerdings habe ich bei dem Versuch lustig zu sein wieder einmal festgestellt, dass es einfach nicht funktioniert, deutsche Redewendungen ins Englische zu übersetzen. Schade eigentlich! Aber egal, lustig war es in gewisser Weise dann ja trotzdem noch.

Am nächsten Morgen schmeiße ich noch schnell eine Ladung Wäsche in die Maschine und packe dann meinen Koffer für die Abreise am Nachmittag. Mh, mein Gepäck ging vor wenigen Wochen definitiv noch leichter zu. Typisch Tourist! Überall werden noch ein paar Souvenirs mitgenommen. Dem skeptischen Blick des Piloten entnehme ich, dass er nicht ganz so begeistert von meinem gigantischen Koffer ist. Auf die Frage, ob ich Steine gesammelt hätte, lächle ich nur entschuldigend und antworte ihm, dass ich mich einfach nicht entscheiden konnte, welchen ich nehmen soll. Er wirft mir ein Lächeln zurück. Puh, da ist das Eis gebrochen! Ich starte eine Umarmungsrunde zum Abschied und klettere dann als  einziger Passagier zum Piloten ins Cockpit. Ich merke, wie sich ein freudiges Strahlen in meinem Gesicht ausbreitet. Man fliegt eben nicht alle Tage in einem Wasserflugzeug mit! Innerhalb von wenigen Sekunden sind wir in der Luft. Von hier aus hat man die perfekte Sicht auf die Lodge und ihre Umgebung. Den gesamten Flug starre ich gebannt aus dem Fenster und schaue mir die zerklüftete Küstenregion von oben an. Mehrere Fjorde schlängeln sich durch mit Bäumen übersäte Berge und in der Ferne zeichnen sich etliche kleine Inseln ab. Was für eine traumhafte Aussicht!

Nach 25 Minuten endet der beeindruckende Flug mit einer butterweichen Wasserlandung. Von der Float Plane Base der Great Bear Lodge geht es anschließend für mich weiter zum Flughafen von Port Hardy. Ich übernachte heute im Air Port Inn bevor ich morgen früh ins nächste Abenteuer starte. Spontan vereinbare ich noch ein Skypedate mit meiner Familie. Es fühlt sich so schön an, sie zu sehen und ihnen von meinen Erlebnissen zu erzählen. Wenn ich ganz ehrlich bin, vermisse ich sie gerade sehr und würde sie am liebesten ganz fest in den Arm nehmen. Zeit für Heimwehattacken bleibt aber zum Glück nicht. In ein paar Stunden heißt es schon wieder aufstehen und in den Flieger steigen. Mein nächstes Ziel ist die Terra Nostra Ranch am Clearwater Lake.


Hier geht es zum nächsten Reisebericht…
Great Bear Lodge